Idén ősszel a Magyar Állami Operaház majd' hetven év után ismét műsorára tűzi Dohnányi Ernő nagyszerű vígoperáját, A tenort. Minthogy a szövegkönyv az interneten eleddig sehol nem volt elérhető, most megteszem az első lépést: íme az eredeti, német nyelvű librettó. Hamarosan jön magyarul is...
Dohnányi Ernő/Ernst von Dohnanyi |
DER TENOR
KOMISCHE OPER IN DREI AKTEN
NACH DER KOMÖDIE „BÜRGER SCHIPPEL”
Text von ERNST GOTH
Musik von ERNST von DOHNÁNYI
PERSONEN DER HANDLUNG
DER
LANDESFÜRST
bariton
HICKETIER,
ein reicher Bürger
Bass buffo
JENNY,
seine Frau
Mezzosopran
THEKLA,
seine Tochter
Sopran
KREY,
fürstlicher Beamte
Tenor buffo
WOLK,
Buchdrucker
Bass
SCHIPPEL,
ein armer Stadtmusikant
Tenor
MÜLLER
Tenor
SCHULTZE
Bass
ORT
DER HANDLUNG: eine kleine mitteldeutsche Residenzstadt.
ZEIT:
gegen Ende des 19. Jahrhunderts.
I. AKT
(Behagliches Wohnzimmer bei Hicketier.
Am Fenster Podium und Nähtisch. In der Mitte ein Flügel.
Haupteingang im Hintergrund. Rechts eine Tür in das Speisezimmer.
Vormittag.)
1. Szene.
(Jenny, Thekla)
Glocken hinter der Szene.
THEKLA
(tritt zum Fenster)
Die
Sterbeglocken! jetzt traegt man ihn hinaus.
Wie schrecklich,
so jung vom Leben zu scheiden!
JENNY
(bei dem Nähtisch
sitzend)
Ja, ja. Wir
mochten all ihn gerne leiden.
Der arme
Naumann! Ach, nun ist es aus!
War wohl ein
wackrer Mann von Tugend und Manieren.
THEKLA
Und welche Lust
war’s stets mit ihm zu musizieren!
JENNY
Das glaub’ ich
wohl!
THEKLA
Stets fest im
Takt und rein im Ton,
genau in jeder
Modulation.
JENNY
So einen findet
man so leicht nicht wieder.
THEKLA
Ach ja! und wie
herrlich sang er Schuberts Lieder,
wie hat da sein
Tenor geklungen!
JENNY
Ach, du lieber
Gott! Nun hat er ausgesungen.
Nicht
auszudenken ist’s, was man an ihn verlor,
was soll nun das
Quartett ohne Tenor?
THEKLA
Ja, daran dacht’
ich noch nicht einmal,
jetzt fehlt der
Tenor, oh das ist fatal!
JENNY
Das verwaiste
Quartett, der Stolz der Stadt,
dass sich stets
den Kranz noch errungen hat,
wie sollen nun
es so erringen,
wie soll es ohne
Naumann singen?
Was ist ein
Quartett ohne Tenor?
THEKLA
(verzweifelt)
Welch’ Missgeschick!
Welch’ Missgeschick!
Horch, ich
glaub’ der Vater ist zurück.
JENNY
(sieht zur Tür hinaus)
Der Vater, Wolke
und Krey,
das verwalste
Quartett, jetzt sind’s nur noch drei.
2. Szene.
(Die Vorigen, Hicketier, Krey, Wolke)
HICKETIER
(an der Tür)
Hier, liebe
Freunde tretet ein!
(Wolke und Krey treten ein, begrüssen stumm die Damen. Hicketier
umarmt Thekla flüchtig.)
Nehmt Platz! Ihr
werdet müde sein!
WOLKE
Ach ja, es war
eine traurige Stunde,
der Brave, der
Beste in unserem Bunde,
nun liegt er im
Grabe. Wie schreckilch!
HICKETIER
Gewiss, der
Verlust ist sehr erklecklich!
WOLKE
(verzweifelt)
Oh Gott, oh
Gott, oh Gott! ich kann’s kaum fassen.
THEKLA
Ja, daran dacht’
ich noch nicht einmal,
jetzt fehlt der
Tenor, oh das ist fatal!
JENNY
Das verwaiste
Quartett, der Stolz der Stadt,
dass sich stets
den Kranz noch errungen hat,
wie sollen nun
es so erringen,
wie soll es ohne
Naumann singen?
Was ist ein
Quartett ohne Tenor?
THEKLA
(verzweifelt)
Welch’
Missgeschick! Welch’ Missgeschick!
Horch, ich glaub’
der Vater ist zurück.
JENNY
(sieht zur Tür hinaus)
Der Vater, Wolke
und Krey,
das verwalste
Quartett, jetzt sind’s nur noch drei.
2. Szene.
(Die Vorigen, Hicketier, Krey, Wolke)
HICKETIER
(an der Tür)
Hier, liebe
Freunde tretet ein!
(Wolke und Krey treten ein, begrüssen stumm die Damen. Hicketier
umarmt Thekla flüchtig.)
Nehmt Platz! Ihr
werdet müde sein!
WOLKE
Ach ja, es war
eine traurige Stunde,
der Brave, der
Beste in unserem Bunde,
nun liegt er im
Grabe. Wie schreckilch!
HICKETIER
Gewiss, der Verlust
ist sehr erklecklich!
WOLKE
(verzweifelt)
Oh Gott, oh
Gott, oh Gott! ich kann’s kaum fassen.
WOLKE
(traurig)
Ist kein Ersatz.
HICKETIER
(fest)
Ist ja Ersatz!
THEKLA, JENNY,
KREY, WOLKE
Wie, wer und wo?
Ist es wirklich so?
Gibt’s irgendwo
in unsrer Stadt
einen, der
solche Stimme hat?
Wer wäre das?
So sag es doch
schnell, wo ist er?
Oh bring ihn zur
Stell!
HICKETIER
Gemach, gemach!
Ihr verwirrt mich fast
mit eurer
Ungeduld und Hast.
THEKLA, JENNY,
KREY, WOLKE
So sag doch an,
wer uns Naumann
ersetzen kann!
HICKETIER
Ersetzen den
armen, toten Freund
kann niemand uns
wohl, so war es nicht gemeint.
Allein wir stehn
hier nicht, blos als Freunde,
wir bilden, Ihr
wisst’s eine Sangesgemeinde,
wir pflegen die
Kunst des Männergesanges,
des edlen,
männlichen Vierstimmenklanges.
KREY, WOLKE
Wir sind ein
treuer deutscher Sängerbund!
THEKLA, JENNY
Nun ja, doch
gieb uns schon den Namen kund!
HICKETIER
Gleich sag ich’s
Euch, ich habe wen entdeckt.
Allein ich
fürchte, dass Ihr sehr erschreckt.
Doch seine Stimme!
Freunde lasst Euch sagen,
nie hat die Luft
noch besseren Schall getragen,
nie hört’ ich
zarteren Schmelz, nie vollere Töne,
niemals so viel
Gefühl der Kantilene.
THEKLA, JENNY,
KREY, WOLKE
So sag doch an,
wer ist der Mann
der dieses kann!
HICKETIER
Ein Mann ist’s,
den Ihr Alle kennt,
und doch nicht
gern beim Namen nennt.
THEKLA, JENNY,
KREY, WOLKE
(besorgt)
Wieso, kein Mann
von Stand?
Oh welche
Schand!
HICKETIER
Ja, welche
Schand! Ein windiger Prolet,
dem meist der
Sinn nur nach dem Wirtshaus steht,
(zu Wolke und Krey, dass es die Frauen nicht hören sollen)
ein unehelich
Kind, kennt seinen Vater nicht,
mit einem Wort,
ein hergelaufner Wicht,
den nie ein
Bürger sich zum Freund erkor.
WOLKE
(zweifelnd)
Doch ein Tenor?
HICKETIER
Und welch’
Tenor!
Doch sonst ein
widerlicher Rüppel,
Ihr kennt ihn
ja: der Stadtflötist, der Schippel.
THEKLA, JENNY,
KREY, WOLKE
Der Schippel!
WOLKE
Der rote
Schippel, der Falott?
Hier im
Quartett! Du lieber Gott!
KREY
Der Schippel?
Dieses lumpige
Aas? Du machts wohl Spass!
THEKLA, JENNY
Der rote
Schippel, welcher Graus!
JENNY
Der Kerl darf
mir nicht ins Haus!
KREY, WOLKE
Der Schippel, oh
welcher Graus!
HICKETIER
Ein Graus und
Greuel ist er auch mir,
doch das ist
nicht die Hauptsach hier.
Die Hauptsach
ist, dass er singt,
dass der
Tenorpart hell erklingt,
so dass vereinte
Meisterschaft
auch diesmal uns
den Kranz verschafft.
Er stellt im
Quartett den vierten Mann,
sonst aber geht
er uns garnichts an.
WOLKE, KREY
(sich beruhigend)
Jawohl im
Quartett als vierter Mann,
sonst aber geht
er uns garnichts an.
HICKETIER
Nun, da wir so
weit einig sind
verrate ich Euch
noch geschwind,
ich habe
Schippel herbestellt.
JENNY
Der Kerl hier!
Oh Graus, oh Graus!
Verpestet mir
mein reines Haus!
KREY
Der Schippel als
Gast, ich muss schon sagen.
HICKETIER
Nur ruhig, es
geht uns nicht an den Kragen.
Und hat der Kerl
keine Manier, dann…
(macht eine Geste des Hinauswerfens)
(Klingeln im Vorzimmer.)
Doch mich dünkt,
er ist schon hier.
JENNY
Oh pfui, oh
pfui, ich will ihn nicht sehen!
Ich eil in die
Küche Thekla, komm!
(Jenny mit Thekla eilig ab)
3. Szene
(Hicketier, Wolke, Krey, Schippel)
SCHIPPEL
(tritt frech ein)
Sie riefen mich,
nun bin ich hier,
Sie wünschen,
lieber Hicketier?
HICKETIER
„Herr”
Hikketier, ich muss schon bitten!
SCHIPPEL
(ungeniert und vergnügt)
Ach ja,
verzeiht! Doch feine Sitten,
die lernt ich
nie, brauch sie auch nicht,
weit wichtiger
ist ein froh Gesicht.
Und wichtiger
freilich noch ein voller Magen!
Was wisst Ihr
davon, habt nie Hunger ertragen,
und kalte Stuben
mit Püffen und Prügeln.
HICKETIER
Ihr sollt den
Strom Eurer Rede doch zügeln:
Mir ist Neugier
fern, ich glaub’ auch den Herren hier.
WOLKE
(mit leichter Verbeugung)
Wolke!
KREY
Krey!
SCHIPPEL
Mir ein grosses
Plaisier.
(sich mit Behagen umsehend)
Hier könnst mir
passen! Ach, wohnt Ihr fein!
Ölbilder,
Sammtfauteuils,
(streichelt einen)
hier ist es gut
sein!
Ihr wisst es
wohl, ich blase die Flöte,
da kommt man
mitunter in arge Nöte.
Im Winter,
wenn’s gut geht, zwanzig Mark die Woche,
zuweilen bläst
man auf dem letzten Loche.
HICKETIER
(ungeduldig)
Schon gut, schon
gut, lasst diese Sachen!
Wir wollen nicht
viele Worte machen.
Wir haben
folgendes mit Euch vor:
Ihr singt bei
uns im Quartett den Tenor.
Es soll wohl
Euer Schaden nicht sein.
SCHIPPEL
(sehr erfreut)
Ihr nehmt mich
auf in euren Verein?
KREY
Nun ja, das
heisst,
(schnell)
vor allen Dingen
müsst Ihr uns
etwas zu Probe singen.
SCHIPPEL
Oh gern,
natürlich, mit vielen Vergnügen.
Wohlt Ihr Euch
mit etwas Modernem begnügen?
HICKETIER
(zu Wolke)
Ach Wolke, setz
Du Dich ans Klavier!
KREY
(reicht Schippel einen Band Musik)
Ihr findet die
neuesten Lieder hier.
(Nach einigen Blättern schlägt Schippel eine Seite auf, und legt
den
Band vor Wolke ans Pult.)
Wach auf! so
ruft der Sonnenschein,
es küsst die Lenz
die Welt.
Wach auf, und
zieh ins Land hinein,
weit über Berg
und Feld!
Lass Sorgen sein
und Traurigkeit,
hell glänzend
lacht die Au
Zur Freude wird
was gestern Leid,
dem Glück
vertrau!
Und weisst Du
nicht wo es Dir blüht,
such’s auf der
grünen Flur!
Und
eh’ die Frühlingssonne flieht
erjagst
Du seine Spur.
Es
wächst ja unterm Himmel rein
manch
minnigliche Maid,
Wach
auf! so ruft der Sonnenschein
und
sei zum Glück bereit!
Wach
auf!...”
WOLKE
(während des Spielens)
Das
ist ja kolossal!
KREY
Kapital!
WOLKE
Pyramidal!
SCHIPPEL
„…
und sei zum Glück bereit!”
HICKETIER
Bravo!
5
WOLKE
(jubelnd)
Der
Kranz, er ist so gut wie errungen.
KREY
Sie
haben wirklich ganz prächtig gesungen.
SCHIPPEL
(vergnügt)
Na,
das ging ganz gut,
(Klopft Wolke auf die Schulter)
Sie
begleiten ganz vorzüglich!
HICKETIER
(zu Krey)
Potztausend,
der Kerl wird konfident.
KREY
Es
scheint, dass er die Lage verkennt.
SCHIPPEL
(zu Hicketier, ihn am Rock fassend)
Ich sing’ also
mit, topp, abgemacht!
(streckt ihm die Hand hin)
HICKETIER
(nimmt die Hand nicht)
Ihr irrt Euch,
so ist es nicht gedacht.
SCHIPPEL
(verblüfft)
Was heisst das?
Ihr reicht mir nicht die Hand?
HICKETIER
Ihr fasst die
Sache irrig auf.
Ihr scheint zu
sehr erpicht darauf,
mit uns auf
Gleich und Gleich zu stehen.
Nein, nein,
Freund Schippel, das wird nicht gehen.
Ein jeder bleib’
bei Seinesgleichen,
mit Dreistigkeit
ist da nichts zu erreichen.
Wollt Ihr mit
uns singen, das wird uns freun,
sonst aber haben
wir nichts gemein.
Es hat seine
Grenzen ein jeder Stand.
SCHIPPEL
(schreiend)
Zum Teufel! Ihr
reicht mir nicht die Hand?
Bin Euch zu
gering ein armer Musikant?
Kein Umgang für
die reichen Herrn,
doch meine
Stimme, die hätten sie gern!
Euch passt mein
Tenor, doch nicht mein Gesicht,
oh nein, Ihr
Dünkelpack, so spiel ich nicht.
Mahlzeit die Herren!
(eilig ab)
(Verblüffung)
HICKETIER
(wütend)
S’ist unerhört!
S’ist unerhört,
was dieser Prolet sich untersteht.
Ich muss ihm
nach, ich lass ihn arretieren.
WOLKE
Du sollst Dich
lieber nicht so echauffieren!
HICKETIER
So
ein Schuft! So ein Halunke! Schuft! Halunke!
KREY
Nun
ja, doch was nun? Wir sitzen in der Tunke.
Ihr
könnt bis morgen wandern,
und
findet keinen Andern.
HICKETIER
Doch
dulden kann ich nicht, dass so ein Tropf
uns
vertraulich auf die Schulter klopf'!
WOLKE
(sehr bestürzt, ratlos)
Doch
seine Stimme! Ach, seine Stimm’,
s’ist
wahrlich schlimm!
(Von draussen Stimmengewirr)
6
4. Szene
(Der Fürst, Hicketier, Wolke, Krey, später Thekla)
FÜRST
Nur
einen Stuhl, etwas Wasser, ein Verband
HICKETIER
(höchst betroffen)
Durchlaucht,
die Gnade! oh die Hand?
FÜRST
Nur
leicht verletzt, das Pferd, ein junges Tier
ich
stürzte... Wohl Herr Hicketier?
HICKETIER
Zu
dienen, Durchlaucht, darf ich sehen?
(ruft zur Tür hinaus)
Rasch,
Thekla, Wasser!
FÜRST
Es
wird schon gehen.
Ich
war nur einen Augenblick schwach.
THEKLA
(kommt mit Wasser und Verbandzeug)
Oh Durchlaucht
unter unserem Dach?
Erlaubt, hier
ist’s ein wenig angeschwollen,,
ob wir nicht
doch den Doktor holen sollen?
FÜRST
(sehr entzückt)
Nein, bleib
doch, herrliches Kind!
(Thekla verbindet ihn)
Ach wie ist Ihre
Hand so lind!
Die Anmut! Wohl
Jungfer Hicketier?
THEKLA
(kniet)
Ja, Durchlaucht!
FÜRST
(für sich)
Ganz
unbegreiflich schier,
Da lebt man hier
einen Steinwurf weit,
und ahnt nichts
von so naher Herrlichkeit.
(zu Hicketier)
Ach bitte, der
Knecht soll nach Hause reiten,
er soll auch den
Doktor ins Schloss rufen lassen!
(Hicketier mit Krey und Wolke geschäftig ab)
THEKLA
Ich hoffe,
Fürst, der Schmerz hat nachgelassen.
FÜRST
(lebhaft)
Wahrhaftig. Ihr
Verband wirkt Wunder,
ich fühle mich
frisch, ja viel gesunder
als sonst. Ich
bin wie ausgetauscht
Ist’s Ihre
Schönheit, die mich berauscht?
THEKLA
Oh Durchlaucht
scherzen.
FÜRST
(immer wärmer)
Nein, ich
scherze nicht,
Ihr Blick
entzündet mir ein Himmelslicht,
Ihr holder
Zauber, wie er mich betört.
THEKLA
Ach,
Durchlaucht, wenn uns jemand hört!
FÜRST
Sagt rasch, wann
kann ich Euch wieder sehen?
THEKLA
Um
Himmelswillen, Fürst!
(Hicketier kommt mit Krey und Wolke)
FÜRST
(rasch flüsternd)
Von deinem
Fenster wart’ ich heut’ um zehn!
HICKETIER
Ist Alles
ausgeführt, nach Durchlauchts Gebot.
(Fürst nickt dankend)
FÜRST
(erblickt auf dem Klavier den Kranz)
Ach, der
silberne Kranz, der Sängerpreis!
Ja richtig,
Bürger-quartett, ich weiss
Sie befleissigen
sich der edlen Sangeskunst.
(auf Wolke weisend)
Der Bariton,
nicht?
WOLKE
(mit tiefer Verbeugung)
Buchdrucker
Wolke!
FÜRST
(zu Krey)
Und Sie wohl
Tenor?
KREY
(mit tiefer Verbeugung)
Revisor Krey!
FÜRST
Freut mich, Ihre
Namen sind mir nicht neu,
bilden ja ein
höchst superbes Quartett;
nächstens wieder
Preissingen, Ja.
Bürgerschaft
muss sich Ideale bewahren.
Das
deutsche Lied, ein Gut der Nation
befestigt
Treue zu Altar un Thron!
Sehr
wichtig in solch idealloser Zeit;
bin
deshalb stets mit Freuden bereit,
Ihr
edles Streben zu protegieren.
Auf
nächstens also! und fleissig probieren!
Und
nochmals meinen fürstlichen Dank!
(salutierend ab)
7
5. Szene
(Die vorigen ohne Führst)
HICKETIER
Rasch
einen Stuhl! Ich bin ganz krank.
WOLKE
(bringt ihm einen Stuhl)
Wahrhaftig,
ich kann das wohl verstehen,
so
plötzlich der Durchlaucht gegenüber zu stehen,
(sentimental)
ganz
wunderbar!
Das
passiert uns wahrlich nicht alle Tage?
KREY
Nun
ja, doch bedenkt jetzt unsere Lage!
Jetzt
müssen wir singen, doch mit wem?
WOLKE,
HICKETIER
Freilich,
freilich, höchst unangenehm!
KREY
Wo
nehmen wir den Vierten her? Wenn nicht Schippel
HICKETIER
Was
nennst Du mir den Kerl noch!
Der
Frechling, er gehört ins Loch!
WOLKE
Gewiss,
doch seine Stimme!
HICKETIER
S’ist
unerhört! Ihr sollt Euch schämen!
WOLKE
Woher
denn einen Vierten nehmen?
HICKETIER
Ich mag den Kerl
nicht mehr sehen!
KREY
Denk an den
Fürsten, etwas muss geschehen!
WOLKE
Ach was,
Schippel sitz drüben im Goldenen Bär,
komm mit, wir
bringen ihn glattweg her!
HICKETIER
(entrüstet)
Ihn holen? Ich,
Gottlieb Hicketier?
KREY
Natürlich, Du
wiesest ihm ja die Tür!
THEKLA
Tu’s Vater, geh
mit Wolke zu zweit,
ein gutes Wort,
und er ist sicher bereit
mit Euch zu
singen. Ich hol’ dir den Hut.
WOLKE
So komm! Im Nu
wird alles gut.
HICKETIER
Es fällt mir
wahrlich bitterschwer,
dem Kerl zu
erweisen die Ehr!
(geht ab, nach ihm Wolke)
WOLKE
(wendet sich noch einmal zurück, zu Krey)
Pass auf, jetzt
bleibst Du mit Thekla allein,
stell’s richtig
an, und sie wird Dein.
KREY
(weinerlich)
Ach Gott, wär mir
nur nicht gar so bange!
HICKETIER
(von draussen)
He, Wolke! WOLKE
Ich
komme schon!
(zu Krey)
Courage!
und zögere nicht lange!
(ab)
8
6. Szene
(Thekla, Krey)
(Thekla steht verträumt beim Fenster)
KREY
(nähert sich Thekla, zaghaft)
Ach
Fräulein Thekla, gestattet mir
THEKLA
(wendet sich um)
Ja
richtig, verzeiht, Ihr bliebet hier.
KREY
Ja,
denn dringend hab' ich mit Euch zu sprechen,
längst
will es fast das Herz mir brechen.
THEKLA
Oh
Ihr erschreckt mich. Was habt Ihr nur?
Was
ist es, das Euch wiederfuhr?
KREY
(für sich)
Wie
sag’ ich’s ihr? Gott steh’ mir bei
und
mach’ von dieser Angst mich frei,
von
diesen Bangen, vom diesen Zagen,
ich
muss, ich muss es ihr doch sagen!
THEKLA
So
sagt doch rasch, so sprecht doch offen!
KREY
Wie
gerne tät’ ich’s, könnt ich nur hoffen!
THEKLA
Was
denn? So sagt!
KREY
Dass Ihr
erkennt,
was solange mir
schon auf der Seele brennt.
THEKLA
Wie soll ich
denn? Warum just ich?
Wahrhaftig, Ihr
scheint mir wunderlich.
KREY
(für sich)
Wie sag ich’s
ihr, Gott steh’ mir bei
und mach’ von
dieser Angst mich frei,
von diesen
Bangen, vom diesen Zagen,
ich muss, ich
muss es ihr doch sagen!
THEKLA
(für sich)
Du lieber
Himmel! Ich kann’s mir denken,
gleich wird er
mir von Liebe sprechen.
Was tu ich um
ihn nicht zu kränken?
KREY
Oh Fräulein
Thekla, seht mir ins Gesicht,
und sagt, ahnt
Ihr wirklich nicht,
wer meines
Sehnens und Leidens Ziel?
THEKLA
(will ihn nicht verstehen)
Nein, nein, auch
fragt Ihr mich zu viel!
KREY
(für sich)
O weh, sie
versteht mich nicht! Gott steh’ mir bei
und mach’ von
dieser Angst mich frei.
Ach wollt’ es
mir doch nur gelingen,
ach könnt’ ich
nur ihr Herz bezwingen!
THEKLA
(für sich)
Was tu ich nur?
Der arme Krey!
Wie bringe ich
Vernunft ihm bei?
Ach wollt’ es
mir doch nur gelingen,
von seinem Plan
ihn abzubringen!
Ach blieb’ der
Vater nicht so lang!
7. Szene
(Die Vorigen, Wolke, Hicketier, Schippel, später Jenny)
WOLKE
(eintretend)
Da sind wir
schon!
THEKLA
(für sich)
Gott sei Dank!
SCHIPPEL
Grüss Gott! Nun
wär’ ich also wieder da.
THEKLA
Ei, das ist wirklich
wundernett.
WOLKE
Nun haben wir
doch unser Quartett!
HICKETIER
(mürrisch)
Ja, wundernett
dieses Quartett.
SCHIPPEL
Darf ich Sie
bitten, Herr Hicketier,
mich
vorzustellen dem Fräulein hier?
HICKETIER
Dem Fräulein?
Wozu? Was wollt Ihr von ihr?
Das Quartett,
das bilden allein wir Vier.
WOLKE
So tu's doch! Es
ist doch schliesslich üblich.
HICKETIER
Auch das noch!
Nun wohl!
(vorstellend)
Thekla, mein
Kind.
THEKLA
(nicht freundlich)
SCHIPPEL
(selbstbewusst, aber höflich)
Ich hoff’, dass
Ihr’s nicht unbescheiden findet,
wenn ich
verlange, was dem Gast gebührt.
Wisst Ihr nicht,
was Ihr mir versprochen?
WOLKE, HICKETIER
Ja, ja, noch
haben wir's nicht gebrochen.
SCHIPPEL
Ich will nicht
singen um Geld und Sold,
ich singe nur,
wenn Ihr mich achten
wollt als Mann
von Ehre.
Mein Tenor
allein ist nicht zu pachten.
KREY, WOLKE
(sehr freundlich)
Mein Bester, Sie
wissen wie sehr wir Sie achten.
HICKETIER
An Ihnen wird’s
liegen, wie wir Sie schätzen.
KREY
Gewiss, wer
sollte denn Sie verletzen?
WOLKE
Ein Künstler wie
Sie
SCHIPPEL
Na, denn ist’s
schon recht.
(zu Thekla)
Bin hoffentlich
auch dem Fräulein nicht so schlecht.
THEKLA
Seien Sie
herzlich willkommen!
(reicht Schippel die Hand)
SCHIPPEL
(beglückt strahlend)
Oh vielen Dank!
HICKETIER
(für sich)
Das muss ich
erleben! Ich werde noch krank.
SCHIPPEL
Nehmt meinen
Dank, Herr Hicketier!
(Auch Hicketier reicht ihm nun die Hand)
Jetzt freilich
ist’s weit gemütlicher hier.
KREY, WOLKE,
HICKETIER
(sehr laut)
So geht denn nun
auf sonnigen Wegen
der Viersang
neuen Ruhm entgegen.
An seinem Stamm
neue Reis,
es blühe auf in
unserem Kreis.
THEKLA
Es löst sich
Alles in Wohlgefallen,
und sein Tenor,
wie wird erschallen!
Mit Mannesstolz
und Sangeskunst
erringet er noch
manche Gunst.
SCHIPPEL
Ich war zu
heftig, zu unbesonnen,
doch nun ist ja
Alles wieder gewonnen.
Mein Wunsch war
stets
Wohlstand und
feine Sitten.
JENNY
(tritt ein, bindet sich die Schürze ab)
Darf ich die
Herren zu Tische bitten?
SCHIPPEL
(unsicher)
Gilt das auch
mir? Läd’t Ihr mich ein?
HICKETIER
(mit einiger Überwindung)
Gewiss, es soll
uns ein Vergnügen sein!
(Schippel bietet zum Entsetzen Hicketiers Thekla den Arm.
Alle ab, zuletzt Krey. Krey bleibt nachdenklich stehen; dann auch
ab,
zugleich
Vorhang)
II. AKT
(Hofgarten von der Rückseite des Hicketier’schen Hauses, den
rechts ein
Zaun abschliesst. Links im Hintergrunde, nur zum Teil sichtbar,
eine
offene Wagenremise. An der linken Hausecke in der Höhe des ersten
Stockwerkes ein Erker, der zu Theklas Zimmer gehört. Durch das
grosse
Fenster im Erdgeschoss sieht man in das beleuchtete Zimmer des
ersten
Aktes, wo eben das Quartett probiert. Es ist Abend.)
Vorspiel und 1. Szene
(Der Fürst, Thekla, das Quartett im Zimmer)
FÜRST
(schleicht im schwarzem Mantel von links heran, sich vorsichtig
umblickend)
Ach, endlich
hier! Welch’ wunderlicher Gang,
so durch die
Nacht, den dunklen Wald entlang,
scheu mich
verbergend, dass Niemand erkennt.
(kommt einige Schritte vorwärts)
Doch halt! Nur
Vorsicht! Dort ein Licht noch brennt.
So ist man noch
wach.
(späht durch das Fenster)
Ach, das
Quartett! Freilich, der Kranz!
Bürgerehrgeiz,
wie nett!
(Nach den Vorbereitungen zur Probe haben sich die Sänger im
Zimmer
in Positur gestellt, ein Jeder ein Notenblatt vor sich. Hicketier
leitet die
Probe mit einem dicken Taktstock, mit dem er ab und zu abklopft
um
scheinbar eine Bemerkung zu machen, worauf neu eingesetzt wird.)
SCHIPPEL, KREY,
WOLKE, HICKETIER
(im Zimmer)
Horch, die
Lerche singt im Hain,
Lausche, lausche
Liebchen still,
Öffne sacht dein
Fensterlein,
Höre, höre, was
sie will.
FÜRST
Doch sie seh’
ich nicht, wo mag sie sein?
(hat sich im Dunkel zurückgezogen)
Ob sie schon
schläft? Gewiss hier oben.
(wagt es mitzusingen)
Lausche, lausche
Liebchen still,
Öffne sacht dein
Fensterlein,
Höre, höre, was
ich will!
(Das Erkerfenster öffnet sich, Thekla erscheint am Erker)
Oh Thekla, bist
du da?
THEKLA
Oh Fürst, seid
leiser, man hört Euch ja!
Bedenkt nur,
wenn man ahnte wo Ihr seid!
FÜRST
Oh jeden Argwohn
scheucht mein fürstlich Kleid,
Sei sonder
Furcht, mich stört nur der Gesang.
Komm doch hinab
zu mir,
komm doch, die
Nacht ist lang!
THEKLA
Oh Fürst, wie
kann ich das?
(nach einigen Zögern, herzlich)
Ich tät’s ja
gern!
FÜRST
Geliebtes Kind,
mein Traumbild, mein Stern,
so bist Du mir
gut! Oh hab’ Vertrauen,
und lass mich
tief in deine Augen schauen,
dass sich in
ihnen mein Schicksal mir weise.
THEKLA
Durchlaucht,
schweigt still, oder sprecht leise!
Ich bin so
verwirrt, bin ganz bedrängt,
die Gnade, die
Huld, die Ihr mir schenkt.
(im Zimmer wurde inzwischen Bier in grossen Masskrügen serviert;
man trinkt und lässt Schippel hochleben)
KREY, WOLKE,
HICKETIER
Hoch soll er
leben, hoch soll er leben hoch!
THEKLA
Kommt sie vom
Fürsten der sein Volk besucht,
kommt sie vom
Mann, der ein Mädchen versucht,
ist sie mir
Ehre, bringt sie mir Schande?
FÜRST
Ich bin wie der
Fürst aus dem Morgenlande,
der ungekannt
zum Volke niedersteigt,
und bin ich
meinem ganzen Volke geneigt,
so lieb ich Dich
als seine schönste Blüte.
THEKLA
Der
Märchenprinz! Im innersten Gemüte
erfüllen Eure Wort
mich mit Schauer.
FÜRST
Oh komm! Die
Leiter lehnt hier an der Mauer;
ich leg’ sie an.
THEKLA
(schwärmerisch)
Oh herrliche
Nacht,
wie machst du
mich reich! Wie lösest du,
was so lang der
Busen verschlossen,
das Herz
ersehnt, doch der Mund verschwiegen.
FÜRST
(sehnsüchtig)
Thekla, oh
Thekla komm, oh komm!
THEKLA
Heinrich,
Märchenprinz! Ich komme!
(steigt die Leiter hinunter)
FÜRST
Geliebte!
(geht entgegen)
SCHIPPEL, KREY,
WOLKE, HICKETIER
(neu einsetzend, kräftig brüllend)
Was gleich wohl
auf Erden dem Jäger vergnügen,
wem sprudelt der
Becher des Lebens so reich?
Beim Klange der
Hörner im Grünen zu liegen,
den Hirsch zu
verfolgen durch Dickicht und Teich,
ist fürstliche
Freude, ist männlich Verlangen,
er starket die
Glieder und würzet das Mahl.
Wenn Wälder und
Felsen uns hallend umfangen,
tönt freier und
freud'ger der volle Pokal!
Joho tralala,
tralala, tralala!
FÜRST
Her zu mir!
(Umarmung)
THEKLA
Vor Angst und
Glück ersterb ich schier!
FÜRST
Geliebtes
Mädchen, Du giebst mir Glück!
THEKLA, FÜRST
Oh wunderbare
Stund’!
THEKLA
Geliebte!
FÜRST
Komm fort von
hier!
(Thekla und Fürst ziehen sich nach der Wagenremise zurück)
2. Szene
(Hicketier, Wolke, Krey, Schippel – treten aus dem Haus)
SCHIPPEL
Nun Freunde, was
sagt Ihr, geht’s nicht schon famos?
Noch zwei drei
Proben und der Kranz ist errungen!
WOLKE
Das danken wir
nur dem prächtigen Jungen.
HICKETIER
Nun ja, gewiss,
wie Schippel sang,
verdient wohl
unser aller Dank.
(klopft ihm auf die Schulter)
Wollen hoffen,
dass er’s weiter so tüchtig macht.
Doch es ist
Schlafenszeit. Freunde, lebt wohl! Gute Nacht!
WOLKE
Auf morgen also!
Schlaft wohl! Gute Nacht!
KREY
(zu Wolke)
Wir gehen wohl
zusammen. Gute Nacht!
SCHIPPEL
Gute Nacht!
(Schippel schleicht ums Haus. Wolke und Krey sondern sich von ihm
ab
und bleiben vorne stehen. Hicketier ab ins Haus.)
WOLKE
Nun sag', Du
sprachst Thekla? Steht alles gut?
KREY
Ach
nein, ich sprach sie wohl, doch mein Blut
steigt
mir stets so zu Kopf, ich war so beklommen.
WOLKE
Nun
ja, doch wie hat sie dich aufgenommen?
KREY
Ich
weiss nicht, mir scheint, sie verstand mich nicht recht.
WOLKE
Ach
Krey, Du machst Deine Sache schlecht!
Hast
Du denn gar kein Feuer im Leib?
Nur
mit Mut und mit Keckheit gewinnt man ein Weib!
Und
dass sie Dich nimmt, das ist doch klar.
KREY
Ach
sprächst Du wahr!
(Wolke, Krey nähern sich dem Hintergrund, bemerken
wie Schippel im
Garten umherschleicht, ziehen sich, ihn neugierig
beobachtend, noch
weiter zurück)
WOLKE
(flüsternd)
Sieh’
doch! Der Schippel, er blieb noch hier,
der
hat was vor.
KREY
So
scheints auch mir.
WOLKE
Komm
dorthin, dass er uns nicht sieht!
Wir
müssen sehen, was da geschieht!
(Sie treten ins Dunkel und bleiben dort auf der
Lauer)
12
3. Szene
SCHIPPEL
Jetzt
schlafen, wo mir alle Pulse beben,
Jetzt
schlafen, wo ein neues Leben,
wo
eine tolle Daseinslust,
wo
Hass, Wut, und Sehnsucht mir sprengen die Brust.
Ja,
Hass und Wut auf diese satten Tröpfe,
auf
diese wohlfrisierten Köpfe,
in
denen nur Hochmut und Dummheit sitzen.
Doch
sie sind die Herren! Denn sie besitzen!
Straff
spannt sich der Tuchrock um ihre Leiber,
zierlich
und duftig sind ihre Weiber.
Ja,
zierlich und duftig!
Wie
rasch sie verschwand,
wie
weich und glatt war ihre Hand,
Oh
Thekla, wie bist Du doch lieb und nett!
Jetzt
ruht sie gewiss im schneeweissen Bett,
in
Spitzen gehüllt die rosig runden Glieder,
wie
voll ist ihr Arm, wie prall sass das Mieder!
Sie
eine mal in Arm zu wiegen!
(macht wiegende Bewegungen; mit plötzlichem
Entschluss)
Ja,
Courage! Könnt ich sie nicht kriegen?
Warum?
Bin zum Quartettgenossen ich recht,
bin
ich als Eidam auch nicht zu schlecht.
Und
sagen sie nein, so sing ich nicht mit.
Mir
liegt ja nichts an den lumpigen Kranz,
Mir
liegt an mehr! Ha! Das wird ein Tanz!
Jetzt
schmied’ ich das Eisen so lang’ es warm
und
glückt’s halt ich Thekla nächstens im Arm.
Oh
Thekla so weiss, so blond, so rein!
Da
oben ist wohl Dein Kämmerlein.
Da
ist eine Leiter, ich muss hinauf!
(will die Leiter emporsteigen. Krey und Wolke stürzen
hervor)
133
4. Szene
(Schippel, Krey, Wolke, dann Hicketier)
KREY
Halt
unten bleiben!
WOLKE
Jetzt
haben wir ihn.
KREY
(fasst Schippel)
Was
treibt Ihr da? Wo wollt Ihr hin?
SCHIPPEL
Lasst
los! Sonst, beim Himmel, geht’s Euch schlecht!
KREY
Was der Halunke
sich erfrecht!
SCHIPPEL
(packt Krey)
Halunke ich? Was
bist denn Du?
WOLKE
Ihr kommt vors
Gericht!
SCHIPPEL
Du feiger
Lauscher!
KREY
Gemeiner Wicht!
SCHIPPEL
Was ich hier tu
geht Euch nichts an!
Sprecht Ihr noch
ein Wort,
so kommt Ihr mit
heilen Glieder nicht fort!
Mir ist jetzt
alles einerlei!
HICKETIER
(stürzt aus dem Haus)
Um Gotteswillen,
welch Geschrei!
Was ist denn
los? Wer rumort noch hier?
SCHIPPEL
Erschreckt doch
nicht, das sind nur wir.
HICKETIER
(verständnislos)
Ihr drei, Ihr
seid noch nicht gegangen?
KREY
Zum Glück haben
wir ihn abgefangen,
den Kerl da!
SCHIPPEL
Ach, lieber Herr
Hicketier, glaubt ihnen nicht!
WOLKE
Er kommt vor’s
Gericht.
SCHIPPEL
Ich wollte blos,
wie soll ich’s sagen?
KREY
Rechtzeitig
fass't ich ihn beim Kragen,
wir sahen alles,
dort aus dem Versteck
wir lagen
wachsam auf der Lauer.
WOLKE
Wir merkten
gleich, er wollt’ nicht weg
er schlich um’s
Haus, platt auf der Mauer,
wir auf der
Lauer.
HICKETIER
Kein Wort
versteh’ ich!
(zu Schippel)
Was sollte das
Getu?
Was stört Ihr
die Ruh?
Was hattet Ihr
vor?
SCHIPPEL
Nichts von
Belang.
Ich konnt’ noch
nicht schlafen,
so wollt’ ich im
Garten
hier unter den
Bäumen
das Frührot
erwarten.
HICKETIER
Das Frührot? Und
hier? Um Mitternacht!
Mit solchem
Geschrei? Wenn Thekla nun aufgewacht!
SCHIPPEL
(mit raschem Entschluss)
Das hofft’ ich
im Stillen, ich will’s Euch gestehen,
dann hätt’ ich
die Schöne noch einmal gesehen.
HICKETIER
Was wagt Ihr,
frecher Vagabund?
SCHIPPEL
Gemach, und
hütet Euren Mund,
denkt an den
Kranz und an die Bedingung!
Beim blossen
Namen Thekla’s seit ich sie erblickte,
seit sie mein
hungernd Herz so entzückte
umschwebt ihr
holdes Bild mich immerdar.
HICKETIER
S’ist unerhört!
Was wagt Ihr?
SCHIPPEL
Ja,
nicht wahr?
S’ist
unerhört, dass mal einem Prolet
der
Sinn nach so hohen Dingen steht.
Allein,
habt Ihr ihn nicht selbst geweckt?
Habt
Ihr mich nicht aus dem Dunkel geschreckt?
Habt
Ihr mich nicht an’s Licht gezogen?
Nun
wohl! Jetzt will ich auch weiter nach oben.
(Fürst und Thekla sind inzwischen im Hintergrund
erschienen und
wagen sich nicht hervor. Die Leiter ist nicht zu erreichen.
Thekla hört
Schippels Geständniss, dann verschwinden Beide
wieder.)
HICKETIER
Gut,
gut, doch Thekla lasst aus dem Spiel,
Ihr
geht zu weit, das ist doch zu viel!
SCHIPPEL
Mag
sein, doch nun hebt sich alle Kraft
des
Mannes in mir mit Leidenschaft.
Und
meiner Jugend Qual, Armut und Schand’,
nun
werf’ ich sie ab, wie ein schmutzig Gewand.
Nun
drängt’s mich hinauf in Eure Welt,
zu
Ehre, zu Arbeit, zum Frieden, zum Geld,
ja-ja!
Und was micht hebt, edelt und reinigt,
das
alles seh’ich in Thekla vereinigt.
144
5. Szene
(Die Vorigen, dann Jenny)
HICKETIER
Das
ist denn doch… Ihr seid ja toll!
SCHIPPEL
Nein,
nein, nur mein Herz ist so übervoll.
HICKETIER
Zum
Teufel Euer Herz!
JENNY
(stürzt herbei)
Was
geht denn hier vor?
HICKETIER
Spricht
er noch ein Wort, bei Gott, es setzt Hiebe!
WOLKE
(hervortretend, für sich)
Ist er normal?
JENNY
(zu Hicketier)
Weshalb denn?
Warum?
SCHIPPEL
(zu Jenny)
Weil ich Thekla
liebe!
JENNY
(zu Hicketier)
Was sagt er?
WOLKE, KREY
So ein Skandal!
Wie kann der
Kerl es wagen?
Man sollt’ ihm
an den Kragen.
HICKETIER
(zu Jenny)
Da hast Du’s!
JENNY
Er ist verrückt.
SCHIPPEL
Ach nein, ach
nein,
ich bin nur
bezaubert, berückt.
JENNY, HICKETIER
(zu Schippel)
So schreit doch
nicht so!
SCHIPPEL
(sehr stark)
Doch liebe ich
sie!
JENNY
(für sich)
So ein Skandal!
HICKETIER
(zu Schippel, wütend)
Schreit nicht!
SCHIPPEL
Ich liebe sie!
HICKETIER
Schweigt still,
bei Gott es gibt Prügel!
SCHIPPEL
(in Extase)
Mein Sehnen eilt
mit beschwingtem Flügel
zu ihr, die mein
Heil, mein Glück, mein Leben,
die all mein
Begehren, die all' mein Streben!
HICKETIER, KREY
Ist er verrückt?
HICKETIER
(zu Schippel)
Wenn Ihr nicht
schweigt,
dann heim Euch
geigt mein Haselstock.
WOLKE, KREY
S’ist unerhört!
So ein Fallott!
JENNY
(zu Schippel)
Wenn ihr nicht
schweigt,
dann heim Euch
geigt der Haselstock.
JENNY, KREY,
WOLKE, HICKETIER
Jawohl, jawohl,
der Haselstock
verklopf ihm gut
den Rock.
SCHIPPEL
Ihr Herren, so
macht doch kein solch’ Geschrei!
Euer Schimpfen,
das ist mir einerlei.
Es zeigt nur
Mangel an Takt und Manieren,
ich denke, Ihr
könntet von mir profitieren.
HICKETIER,
WOLKE, KREY, JENNY
Jetzt währt die
Frechheit schon gar zu lang,
da sieht man
nun, da sieht man’s, das ist der Dank.
Das ist zu arg,
das ist der Dank
SCHIPPEL
Ei seht doch, jetzt
wollt Ihr gar noch Dank!
Mitnichten!
(vortretend)
Hört, Vater
Hicketier,
zum Weibe gebt
Ihr Thekla mir!
Sonst kommt kein
Ton aus dieser Kehle,
den Preis mögen
Andere dann erringen.
HICKETIER
Wie soll ich
meine Wut bezwingen?
SCHIPPEL
Ich lechze nach ihr
mit Leib und Seele.
Oh Thekla
erhöre, errete mich,
oh Thekla,
Thekla wie lieb ich dich!
WOLKE, KREY,
HICKETIER, JENNY
Der Kerl ist
wirr, er redet irr,
die Dreistigkeit
geht viel zu weit.
Jetzt ist das
Mass schon übervoll,
der Kerl ist
toll, er ist ja toll.
HICKETIER
Da haben wir den
Tanz,
der Teufel hol’
den Kranz!
JENNY
(zu Hicketier)
Der Schippel da
als Schwiegersohn,
das hast du nun
davon.
HICKETIER
Schweigt still!
Wie kan man nun dran denken,
würd’ Thekla je
Gehör ihm schenken?
SCHIPPEL
Lasst das nur
meine Sorge sein.
WOLKE, KREY
Wie er sich
brüstet,
ich bin
entrüstet,
ich bin empört!
Es wäre
unerhört!
HICKETIER
Thekla und er,
bei meiner Ehr’,
wie könnte sie
dran denken,
und je Gehör ihm
schenken?
SCHIPPEL
Weiss Thekla
erst wie gross und rein
meine Liebe ist,
wie ich sie verehre,
wie
leidenschaftlich ich sie begehre.
Ja dann, Ihr
werdet es schon sehn,
dann kann sie
mir nicht wiederstehn!
6. Szene
(Die Vorigen, Thekla dann Fürst)
JENNY
Was Thekla, Du
hier?
WOLKE
Ei seht doch!
HICKETIER
Du Thekla hier?
Allein zu dieser Zeit?
FÜRST
(tritt sehr gemessen aus dem Dunkel)
Ich gab dem
Fräulein das Geleit.
JENNY, KREY,
WOLKE, HICKETIER
Die Durchlaucht,
der Fürst, was ist geschen?
Allein mit
Thekla, wie soll man’s verstehen?
HICKETIER
Durchlaucht
sehen uns auf’s tiefste verwirrt,
mit meiner
Tochter, so spät …
FÜRST
(leutselig)
Ihr irrt,
wenn Ihr
schlimmes denkt. Was fällt Euch ein!
Ich sah im
Vorbeigehn zu Euch hinein,
wollte dem
Fräulein nur nochmals danken,
dann hörten wir
hier Schreien und Zanken,
so wurd’ es
spät, macht Euch drum keine Sorgen.
Und geht jetzt
schlafen!
(zu Hicketier)
Wir
sprechen uns morgen.
(ab)
THEKLA,
JENNY, KREY, WOLKE, HICKETIER
Gute
Nacht, Durchlaucht! Durchlaucht, gute Nacht!
16
7. Szene
(Die Vorigen ohne Fürst)
SCHIPPEL
Bedank
Euch noch für diese Niedertracht!
KREY
Was,
Niedertracht, nehmt Euch in acht!
JENNY
Gottlob!
Nur seinen Dank!
Fast
wurd’ ich schon krank!
SCHIPPEL
Ha,
ha! Sein Dank! Dass ich nicht lach’!
Oh
Schand und Schmach!
HICKETIER
Was
Schmach, was Schand!
KREY,
WOLKE
Ist
er bei Verstand?
SCHIPPEL
(schmerzlich)
Sein
Liebchen ist sie.
JENNY
Um
Himmelswillen, nein! Oh Gott!
SCHIPPEL
Verführt
hat er sie!
HICKETIER
Ich
schlag ihn tot!
KREY
Was
wagt Ihr auszusprechen?
SCHIPPEL
(unbeirrt)
Ich sag’ es
nochmals, verführt hat er sie,
und ich armer
Tor, ich liebte sie!
HICKETIER
Welch’ grausiger
Verdacht! Wo gibt es Klarheit?
WOLKE
Wie kannst Du
nur’s glauben? Der Fürst sprach die Warheit.
JENNY
Oh Thekla,
Thekla mein armes Kind,
wie ist man Dir
nur übel gesinnt!
SCHIPPEL
(bestimmt)
Jetzt freilich
hat alles ein andres Gesicht,
(mit Nachdruck)
ein
Fürstenliebchen das mag Schippel nicht!
HICKETIER
(rasend)
Ein
Fürstenliebchen! Hier gibt’s noch Mord!
KREY
(vortretend)
Ihr zieht
sogleich zurück das Wort!
Wenn nicht, so
geht’s Euch an den Kragen!
SCHIPPEL
Wollt’ Ihr Euch
etwa mit mir schlagen?
Wie’s Euch
beliebt, ich bin bereit!
WOLKE
Ha, er hat
Schneid!
HICKETIER
Gib ihm doch mit
dem Stock Bescheid!
KREY
Ich werde
Theklas Ehre verteidigen.
HICKETIER
Kann denn ein
Schippel sie beleidigen?
SCHIPPEL
Wollt Ihr dass
ich mit Euch singen soll,
so nehmt mich
auch als Ehrenmann voll,
als solchen
gebührt mir Satisfaction!
HICKETIER
Oh Spott und
Hohn!
WOLKE
Ich rieche Blut!
SCHIPPEL
Herr Krey! Wählt
Waffen, Zeit und Ort!
Ich stehe ein
für jedes Wort!
JENNY
Was? Ein Duell?
WOLKE
Ein Duell!
HICKETIER
Mit dem Gesell?
WOLKE
Und wie wird’s
mit dem Preisegesang,
da schon so
schön das Quartett gelang?
JENNY
Der denkt noch
an die Sängerei!
HICKETIER
Als ob nicht
längst versungen sei!
SCHIPPEL
Mitnichten! Den
Kranz, den sollt Ihr erringen,
so schön ich
kann will ich mit Euch singen,
bis dahin ruhe
die Affaire.
HICKETIER
Ei was ich höre!
WOLKE
Ein Mann von
Ehre!
WOLKE, HICKETIER
So ruh’ bis
dahin die Affaire!
JENNY
Wenn diese Nacht
nur schon zu Ende wäre!
WOLKE
Welch’ eine
Nacht! Der Fürst, Thekla, das Quartett!
HICKETIER
(resigniert, ganz erschöpft)
Wird Alles sich
finden, gehn wir zu Bett!
JENNY
Gehn wir zu
Bett, bald graut der Morgen!
(Jenny, Thekla, Hicketier ab ins Haus; Wolke, Schippel nach
hinten.
Krey bleibt vorne stehen)
SCHIPPEL
Und wegen des
Kranzes seid ohne Sorgen,
zur Probe bin
ich morgen zur Stell’!
(ab)
KREY
(sich langsamm besinnend)
Ich ein Duell?
Oh, ich, ich ein Duell?
(langsam
ab)
III. AKT
Vorspiel
(Waldlichtung)
1. Szene
(Thekla)
THEKLA
(kommt von links)
Dies ist die
Lichtung von er gesprochen.
Sei still mein
Herz, was soll dein lautes Pochen?
Kannst du dich
immer noch nicht bescheiden?
Wehrst du dich
gegen so frühes Scheiden?
Bangt dir vor
dieser letzten Stunde
in seinem Arm,
an seinem Munde?
Sei still, sei
still, gib dich zufrieden,
solch’ Glück, es
war dir nicht beschieden.
O wär ich doch
vom adligen Blut,
ein
Freifräulein, stolz und hochgemut,
oder trüg’ ich
gar eine Grafenkron,
so trüg’ ich
auch mein Liebe Lohn.
Doch ach, ich
vermähl’ mich in meinem Stand,
und reiche Krey,
dem Revisor die Hand.
Vater will es,
ich muss gehorchen.
Da nähm’ ich
doch liber Schippel zum Mann,
der seit gestern
berühmt, und gezeigt dass er was kann.
Ein Mann von
Stoltz und hohem Streben,
der für Ehre
auch wagt sein Leben!
Heut’ schiesst
man ihn vieleicht gar tot!
Welch’ lustig
Getriller in den Bäumen!
Die Vöglein
begrüssen den neuen Tag,
und weiss doch
keins wie er enden mag,
weiss keines,
was ihm der Abend bringt,
welch Schmerz
ihm naht eh die Sonne sinkt.
Sei still, mein
Herz, gib dich zufrieden,
solch’ Glück, es
war dir nicht beschieden!
2. Szene
(Der Fürst, Thekla)
FÜRST
Thekla,
Geliebte, Du kamst, hab’ Dank!
(Umarmung, Thekla wehrt leicht ab)
Wie sehnte ich
mich nach Dir so lang!
THEKLA
Nein Fürst,
gemach! Ich kam zum letzten Mal,
wir nehmen
Abschied heut’!
FÜRST
Oh Schmerz, oh
Qual!
THEKLA
Ein Schmerz auch
für mich, doch der Traum ist zu Ende.
FÜRST
Thekla,
Geliebte, dass einen Ausweg ich fände!
Könnt ich dich
entführen, für immer rauben!
THEKLA
Der Traum ist zu
Ende, Ihr müsst es glauben.
Auch Fürsten
müssen zuweilen entsagen.
FÜRST
Warum? Warum
entsagen, wenn man liebt?
THEKLA
Fürst, weil es
Ordnung, weil es Sitten gibt,
weil ich nicht
frei über mich verfüge.
FÜRST
Unsre Liebe
gibt’s, sonst ist alles Lüge!
THEKLA
Ach Fürst,
verzeiht, wie sprecht Ihr vermessen!
Könntet just Ihr
Pflichten vergessen,
die uns aus
Stand und Herkunft entstehen?
Grad’ Ihr Fürst,
könnt ihnen nicht entgehen.
FÜRST
Doch wenn sich
zwei Herzen, wie Unsere, finden?
THEKLA
Es nützt nicht
Fürst, wir müssen es verwinden.
Wir sind nicht
für einander bestimmt.
Ihr seid ein
Fürst, und ich Hicketiers Kind.
FÜRST
Oh Thekla, wie
sprichst Du? Liebst Du mich nicht?
THEKLA
Mein Herz liebt
Euch, doch mein Kopf muss entscheiden.
FÜRST
Mein Leben lang
werd’ ich dran leiden!
THEKAL, FÜRST
(leise, allmählich steigernd)
Mein Leben lang
will ich Dich lieb behalten,
wie immer auch
Schicksal und Leben mag walten.
Soll ich Dich auch
nicht widersehen,
nie mehr an
Deiner Seite gehen,
so werd’ ich
immer Dein gedenken,
in süsse Träume
mich versenken.
Du gabst mir ein
kurzes, doch tiefes Glück.
Hab’ Dank dafür!
Hab’ Dank!
THEKLA
Lebt wohl! Doch
zum Gedenken
will ich Euch
diesen Ring hier schenken,
er stammt von
Grossmutter, bewahrt in treu!
FÜRST
Thekla, einen
Kuss!
THEKLA
Den letzten, es
sei!
(sie küsst ihn, dann eilt sie fort)
FÜRST
Dort eilt sie
hin!
(betrachtet den Ring)
Ein Herz aus
Karneol.
Der Traum ist zu
Ende. Thekla, leb’ wohl!
(ab)
3. Szene
(Schippel)
SCHIPPEL
(in Frack und Cylinder, sieht sich um)
Hier soll’s wohl
sein, hier also, hier werd’ich sterben.
Ach Gott, mein
Leben mir so verderben!
Erst Thekla
verlieren, dann auch noch das Leben!
Das hab’ ich nun
von Ehrgeiz und Streben!
Warum aber wollt
ich auch höher hinauf?
Zum Dank
schiesst Krey mich jetzt zu Hauf,
zum Dank auch,
weil ich den Kranz gewonnen.
Auf einmal ist alles in Nichts zerronnen.
Was will der
ganze Sieg jetzt heissen,
wenn man mich
zwingt ins Gras zu beissen?
Es flimmert mir
schon vor den Augen ganz rot,
ich seh’ mich
schon mit einem Loch in der Brust,
nein, nein, dazu
hab ich gar keine Lust!
Warum auch? Weil
ich Thekla nicht wollte,
weil Krey mit
seinen Glotzaugen rollte,
und da soll ich
mich jetzt duellieren,
mein ganzes
Leben mir ruinieren?
Ich lebte doch
so schön und vergnüglich!
Halt’ meine
Flöte und mein Plaisier,
die Mädel
drehten die Köpfe nach mir,
die Männer luden
zum Bier mich ein,
das soll nun für
immer zu Ende sein?
Mich tragen die
Beine kaum, und wie ich zitter!
Bin ich ein
Schentlemann? Bin ich ein Ritter?
Nie wieder
singen, nie Flöte blasen,
tot da liegen
unter dem grünen Rasen!
Von wegen der
Ehre? Ein schönes Wort.
Ich wollt' ich
wäre tausend Meilen fort!
(mit plötzlichem Entschluss)
Ja, das ist das
beste, ich mach’ mich davon,
es gibt ja für
mich doch keinen Pardon,
er schiesst mich
sicher durch den Leib,
ein Narr bin
ich, wenn ich hier stehen bleib’.
Was hab’ ich im
Jenseits von meinem Mut?
Es gefällt mir
hier unten noch ganz gut.
Und leb’ ich
nicht auf Bürgers höh’n:
im Wirtshaus
beim Tanz lebt sich’s auch recht schön!
Ja, leben, ja
leben, nur leben im Sonnenlicht!
So billig, ist
Schippels Leben nicht!
(ab)
4. Szene
(Krey, Wolke, Hicketier)
(Wolke und Hicketier haben Krey unterm Arm gefasst, schleifen den
völlig Matten und Willenlosen einige Schritte, richten ihn auf;
Krey
knickt zusammen, worauf die beiden Anderen ihn wieder packen und
ein Stückchen weiter schleifen. Das Spiel wiederholt sich genau
nach
der Musik)
WOLKE
Nur Mut, nur
Mut, Du wirst es sehen,
es wird schon
alles prächtig gehen.
KREY
(verzweifelt)
Ja, prächtig, oh
Freunde, Genossen,
in einer Stunde,
da bin ich erschossen.
HICKETIER
Ach was, Kopf
hoch! Nur kaltes Blut, mein Lieber!
WOLKE
Schlägt Dir das
Herz? Hast Du nicht Fieber?
Du bist sehr
blass.
KREY
Ach frag’ mich
nicht,
wär nur vorbei
schon dies Gottesgericht,
wie schön und
gemütlich könnt’ ich leben!
HICKETIER
So lass doch
schon das Jammern und Beben!
WOLKE
Ich hab’ da was
in meiner Tasche.
(zieht eine Flasche hervor)
Hier, noch einen
Zug aus dieser Flasche.
KREY
Mein letzter
Trunk!
(trinkt)
Noch bin ich so
jung!
HICKETIER
So fass Dich
doch, hab’ ruhig Blut!
KREY
Ach Gott, der
Schippel schiesst sicher gut.
WOLKE
Vielleicht hast
Du Glück, und knallst ihn nieder!
KREY
Könnt’ ich mich
nur setzen! Mir schlottern die Glieder.
(weinerlich)
Nie hielt in der
Hand ich je eine Pistole!
HICKETIER
So flenne doch
nicht, dass der Kukuck Dich hole!
WOLKE
Du hast leicht
reden. Dir wird nichts geschehen.
HICKETIER
O schämt Euch,
s’geht nicht gleich an den Kragen,
wenn man Euch so
sieht, na, eins muss ich sagen:
der Schippel hat
doch mehr Mark in den Knochen.
Wahrhaftig, ich
gesteh’ es: seit einer Wochen
beginnt der Kerl
mir zu imponieren.
Der hat jetzt
Haltung und hat Manieren,
die ganze Art, sein
stolzes Benehmen,
zum Teufel auch,
Ihr könnt Euch ein Beispiel nehemen!
Ein Bettler, wie
er, wies Thekla zurück.
Das mit dem
Fürsten war freilich zum Glück
ganz unschuldig,
ein kleines Vergehen
gegen strengen
Brauch, so was kann geschenen.
Allein der Schippel
hat Gefühl von Ehre,
er handelte,
also ob von Adel er wäre.
Und die Noblesse
dann, trotzdem zu singen,
mit hoher Kunst
den Kranz zu erringen!
Und endlich,
schrecken ihn nicht die Pistolen,
wenn’s die Ehre
gilt, ich sag’es unverhohlen:
der Schippel ist
ein ganzer Mann!
KREY
Der sicher auch
noch schissen kann.
HICKETIER
(wütend für sich)
So ein Feigling,
zum Schwieger denn?
Bei meiner
Seele, da dank’ ich schön!
WOLKE
(zu Hicketier)
Statt ihm jetzt
beizustehen
verhimmelst Du
den lumpigen Musikanten!
HICKETIER
Lass gut sein,
dieser Musikant,
seit gestern ist
ein Mann von Stand.
Der Fürst selbst
gab seinen Beifall ihm Kund.
WOLKE
(nervös, schaut auf seine Uhr)
Vom Kirchturm
schlägt’s die achte Stund,
die Andern
sollten längst hier sein, indessen.
KREY
(hoffnungsvoll)
Ach ja,
vielleicht haben sie’s vergessen!
WOLKE
Vergessen? Ach
nein, das ist unwahrscheinlich.
KREY
(scharf)
Sollen wir etwa
bis Abend hier stehn?
5. Szene
(Schippel, Müller, Schultze und die Vorigen)
SCHIPPEL
(den Vorigen noch unsichtbar, zu Müller)
Herr Müller,
wozu fingt ihr mich ab,
was schleppt Ihr
mich zu meinem Grab.
Jetzt wär ich
längst zwei Meilen weit.
MÜLLER
So schämt Euch
doch solcher Bangigkeit,
der Krey
schiesst ganz gewiss in die Luft.
KREY
(zitternd)
Ach Gott, ich
wittere Grabesduft.
(Stummes Spiel. Sehr förmliche Begrüssung durch Lüften der
Cylinder.
Dieses geschieht in folgender Weise: Wolke, Krey, Hicketier
stehen in
der Mitte der Bühne, während Müller, Schippel und Schultze von
der
Seite kommend an ihnen vorbei defilieren und Jedem einzeln
gegenüber
ihre Cylinder lüften, worauf von der andern Seite das Gleiche
geschiet.
Es kommt zuerst Müller Hicketier gegenüber zu stehen, dann Müller
Krey gegenüber, während Schippel Hicketier gegenüber steht. Dann
Müller Wolke gegenüber, währen Schippel Krey und Schultze
Hicketier
gegenüber steht u. s. w. Die Bewegungen müssen genau nach der
Musik
ausgeführt werden.
Müller und Schultze schreiten die Distanz ab und weisen die
Plätze an.
Schippel kommt nach rechts vorn, Krey nach links hinten zu
stehen.)
SCHIPPEL, KREY
(für sich)
Wie schlottern
mir die Waden!
Bald fressen
mich die Maden.
Noch schlägt
mein Herz, oh weh, oh weh,
bald wird es
nicht mehr schlagen!
O armer
Schippel/Krey
wie wird man
dich beklagen!
Noch leb’ ich,
noch bin ich gesund,
bald lieg’ ich
da, ein toter Hund.
MÜLLER
Zweimaliger Kugelwechsel, und scharf geladen!
SCHIPPEL, KREY
Wie schlottern
mir die Waden,
bald fressen
mich die Maden.
SCHULTZE
Ich zähl’ bis drei, dann losgedrückt!
SCHIPPEL, KREY
Vor Angst werd’
ich noch ganz verrückt.
SCHULTZE
Nun aufgepasst Ihr Herren! Ich zähle: eins, zwei, drei.
(Krey f ällt auf „drei” um, Schippel schiesst eine Sekunde sp
äter in
die Luft)
WOLKE
(zu Krey eilend)
Um Himmelswillen, Krey, oh Krey!
SCHIPPEL
Gott steh mir bei!
SCHULTZE
Was ist denn
los?
(Wolke richtet Krey auf)
HICKETIER
Er fiel doch um
bevor er schoss!
MÜLLER
Nun Schippel, es
scheint ja nichts geschehen.
SCHIPPEL
(aufatmend)
Ach wirklich,
kann ich nun gehen?
(Müller führt ihn zu Krey)
KREY
So bin ich heil,
und darf auch weiter leben?
SCHIPPEL
Herr Krey, wollt
Ihr mir nun vergeben?
WOLKE
(zu Krey)
So gib ihm die
Hand!
KREY
Mit tausend
Freuden,
ich mocht’ihn ja
immer gerne leiden.
MÜLLER, SCHULTZE
(zu Hicketier)
Wir gratulieren,
Ihr Mandant ist ein Held.
SCHULTZE
Ein Mann von
Charackter.
MÜLLER
Ein Mann von
Welt!
(Müller und Schultze entfernen sich. Sehr förmliches Lüften der
Cylinder, wie zu Anfang der Szene)
6. Szene
(Schippel, Krey, Wolke, Hicketier)
KREY dann SCHIPPEL
War das ein
Schrecken und ein Graus,
ein zweites Mal
hielt ich’s nicht aus.
WOLKE
Dem Himmel sei
Dank, sei Dank,
dass alles so
gut gelang!
HICKETIER
Herr Schippel,
Sie benahmen sich prächtig.
(schüttelt Schippel die Hand)
WOLKE
Er hat das
wirklich gut gemacht,
wer hätte das
von ihm gedacht?
HICKETIER
Ja, ja der Schippel,
dieser kleine Musikant,
über Nacht ward
ein Mann von Stand,
ein gefeierter
Sänger, charaktervoll,
verflogen ist
Missachtung und Groll,
ich nenn’ voll
Stolz ihn meinen Freund.
SCHIPPEL
Das ist zu viel!
HICKETIER
Durch Kunst mit
uns geeint
steht er vollwertig
in unserem Kreis,
Ihm gilt der
Kranz, das Siegerreis.
SCHIPPEL, KREY,
WOLKE, HICKETIER
Gerettet ist der
Sangesbund,
es lebe die
Versöhnungsstund!
(In sentimental gehobener Stimmung, die Arme einander auf die
Schultern gelegt, singen sie das folgende Lied, gegen dessen Ende
sie
langsam abgehen, so dass die zwei letzten Takte bereits hinter
der
Szene gesungen werden.)
SCHIPPEL, KREY,
WOLKE, HICKETIER
Wer hat Dich du
schöner Wald
aufgebaut so
hoch da droben?
Wohl den Meister
will ich loben
so lang noch
mein Stimm’ erschallt,
Lebe wohl, du
schöner Wald!
ENDE
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