2014. július 30., szerda

Ernst von Dohnanyi – Ernst Goth: DER TENOR



Idén ősszel a Magyar Állami Operaház majd' hetven év után ismét műsorára tűzi Dohnányi Ernő nagyszerű vígoperáját, A tenort. Minthogy a szövegkönyv az interneten eleddig sehol nem volt elérhető, most megteszem az első lépést: íme az eredeti, német nyelvű librettó. Hamarosan jön magyarul is...


Dohnányi Ernő/Ernst von Dohnanyi





















DER TENOR

KOMISCHE OPER IN DREI AKTEN
NACH DER KOMÖDIE „BÜRGER SCHIPPEL”

Text von ERNST GOTH

Musik von ERNST von DOHNÁNYI

PERSONEN DER HANDLUNG

DER LANDESFÜRST                                
bariton

HICKETIER, ein reicher Bürger                 
Bass buffo

JENNY, seine Frau                                      
Mezzosopran

THEKLA, seine Tochter                               
Sopran

KREY, fürstlicher Beamte                           
Tenor buffo

WOLK, Buchdrucker                                    
Bass

SCHIPPEL, ein armer Stadtmusikant         
Tenor

MÜLLER                                                    
Tenor

SCHULTZE                                                 
Bass

ORT DER HANDLUNG: eine kleine mitteldeutsche Residenzstadt.

ZEIT: gegen Ende des 19. Jahrhunderts.



I. AKT

(Behagliches Wohnzimmer bei Hicketier.
Am Fenster Podium und Nähtisch. In der Mitte ein Flügel.
Haupteingang im Hintergrund. Rechts eine Tür in das Speisezimmer.
Vormittag.)

1. Szene.

(Jenny, Thekla)

Glocken hinter der Szene.

THEKLA
(tritt zum Fenster)
Die Sterbeglocken! jetzt traegt man ihn hinaus.
Wie schrecklich, so jung vom Leben zu scheiden!

JENNY
(bei dem Nähtisch sitzend)
Ja, ja. Wir mochten all ihn gerne leiden.
Der arme Naumann! Ach, nun ist es aus!
War wohl ein wackrer Mann von Tugend und Manieren.

THEKLA
Und welche Lust war’s stets mit ihm zu musizieren!

JENNY
Das glaub’ ich wohl!

THEKLA
Stets fest im Takt und rein im Ton,
genau in jeder Modulation.

JENNY
So einen findet man so leicht nicht wieder.

THEKLA
Ach ja! und wie herrlich sang er Schuberts Lieder,
wie hat da sein Tenor geklungen!

JENNY
Ach, du lieber Gott! Nun hat er ausgesungen.
Nicht auszudenken ist’s, was man an ihn verlor,
was soll nun das Quartett ohne Tenor?

THEKLA
Ja, daran dacht’ ich noch nicht einmal,
jetzt fehlt der Tenor, oh das ist fatal!

JENNY
Das verwaiste Quartett, der Stolz der Stadt,
dass sich stets den Kranz noch errungen hat,
wie sollen nun es so erringen,
wie soll es ohne Naumann singen?
Was ist ein Quartett ohne Tenor?

THEKLA
(verzweifelt)
Welch’ Missgeschick! Welch’ Missgeschick!
Horch, ich glaub’ der Vater ist zurück.

JENNY
(sieht zur Tür hinaus)
Der Vater, Wolke und Krey,
das verwalste Quartett, jetzt sind’s nur noch drei.

2. Szene.

(Die Vorigen, Hicketier, Krey, Wolke)

HICKETIER
(an der Tür)
Hier, liebe Freunde tretet ein!

(Wolke und Krey treten ein, begrüssen stumm die Damen. Hicketier
umarmt Thekla flüchtig.)

Nehmt Platz! Ihr werdet müde sein!

WOLKE
Ach ja, es war eine traurige Stunde,
der Brave, der Beste in unserem Bunde,
nun liegt er im Grabe. Wie schreckilch!

HICKETIER
Gewiss, der Verlust ist sehr erklecklich!

WOLKE
(verzweifelt)
Oh Gott, oh Gott, oh Gott! ich kann’s kaum fassen.

THEKLA
Ja, daran dacht’ ich noch nicht einmal,
jetzt fehlt der Tenor, oh das ist fatal!

JENNY
Das verwaiste Quartett, der Stolz der Stadt,
dass sich stets den Kranz noch errungen hat,
wie sollen nun es so erringen,
wie soll es ohne Naumann singen?
Was ist ein Quartett ohne Tenor?

THEKLA
(verzweifelt)
Welch’ Missgeschick! Welch’ Missgeschick!
Horch, ich glaub’ der Vater ist zurück.

JENNY
(sieht zur Tür hinaus)
Der Vater, Wolke und Krey,
das verwalste Quartett, jetzt sind’s nur noch drei.

2. Szene.

(Die Vorigen, Hicketier, Krey, Wolke)

HICKETIER
(an der Tür)
Hier, liebe Freunde tretet ein!

(Wolke und Krey treten ein, begrüssen stumm die Damen. Hicketier
umarmt Thekla flüchtig.)

Nehmt Platz! Ihr werdet müde sein!

WOLKE
Ach ja, es war eine traurige Stunde,
der Brave, der Beste in unserem Bunde,
nun liegt er im Grabe. Wie schreckilch!

HICKETIER
Gewiss, der Verlust ist sehr erklecklich!

WOLKE
(verzweifelt)
Oh Gott, oh Gott, oh Gott! ich kann’s kaum fassen.

WOLKE
(traurig)
Ist kein Ersatz.

HICKETIER
(fest)
Ist ja Ersatz!

THEKLA, JENNY, KREY, WOLKE
Wie, wer und wo? Ist es wirklich so?
Gibt’s irgendwo in unsrer Stadt
einen, der solche Stimme hat?
Wer wäre das?
So sag es doch schnell, wo ist er?
Oh bring ihn zur Stell!

HICKETIER
Gemach, gemach! Ihr verwirrt mich fast
mit eurer Ungeduld und Hast.

THEKLA, JENNY, KREY, WOLKE
So sag doch an,
wer uns Naumann ersetzen kann!

HICKETIER
Ersetzen den armen, toten Freund
kann niemand uns wohl, so war es nicht gemeint.
Allein wir stehn hier nicht, blos als Freunde,
wir bilden, Ihr wisst’s eine Sangesgemeinde,
wir pflegen die Kunst des Männergesanges,
des edlen, männlichen Vierstimmenklanges.

KREY, WOLKE
Wir sind ein treuer deutscher Sängerbund!

THEKLA, JENNY
Nun ja, doch gieb uns schon den Namen kund!

HICKETIER
Gleich sag ich’s Euch, ich habe wen entdeckt.
Allein ich fürchte, dass Ihr sehr erschreckt.
Doch seine Stimme! Freunde lasst Euch sagen,
nie hat die Luft noch besseren Schall getragen,
nie hört’ ich zarteren Schmelz, nie vollere Töne,
niemals so viel Gefühl der Kantilene.

THEKLA, JENNY, KREY, WOLKE
So sag doch an,
wer ist der Mann der dieses kann!

HICKETIER
Ein Mann ist’s, den Ihr Alle kennt,
und doch nicht gern beim Namen nennt.

THEKLA, JENNY, KREY, WOLKE
(besorgt)
Wieso, kein Mann von Stand?
Oh welche Schand!

HICKETIER
Ja, welche Schand! Ein windiger Prolet,
dem meist der Sinn nur nach dem Wirtshaus steht,
(zu Wolke und Krey, dass es die Frauen nicht hören sollen)
ein unehelich Kind, kennt seinen Vater nicht,
mit einem Wort, ein hergelaufner Wicht,
den nie ein Bürger sich zum Freund erkor.

WOLKE
(zweifelnd)
Doch ein Tenor?

HICKETIER
Und welch’ Tenor!
Doch sonst ein widerlicher Rüppel,
Ihr kennt ihn ja: der Stadtflötist, der Schippel.

THEKLA, JENNY, KREY, WOLKE
Der Schippel!

WOLKE
Der rote Schippel, der Falott?
Hier im Quartett! Du lieber Gott!

KREY
Der Schippel?
Dieses lumpige Aas? Du machts wohl Spass!

THEKLA, JENNY
Der rote Schippel, welcher Graus!

JENNY
Der Kerl darf mir nicht ins Haus!

KREY, WOLKE
Der Schippel, oh welcher Graus!

HICKETIER
Ein Graus und Greuel ist er auch mir,
doch das ist nicht die Hauptsach hier.
Die Hauptsach ist, dass er singt,
dass der Tenorpart hell erklingt,
so dass vereinte Meisterschaft
auch diesmal uns den Kranz verschafft.
Er stellt im Quartett den vierten Mann,
sonst aber geht er uns garnichts an.

WOLKE, KREY
(sich beruhigend)
Jawohl im Quartett als vierter Mann,
sonst aber geht er uns garnichts an.

HICKETIER
Nun, da wir so weit einig sind
verrate ich Euch noch geschwind,
ich habe Schippel herbestellt.

JENNY
Der Kerl hier! Oh Graus, oh Graus!
Verpestet mir mein reines Haus!

KREY
Der Schippel als Gast, ich muss schon sagen.

HICKETIER
Nur ruhig, es geht uns nicht an den Kragen.
Und hat der Kerl keine Manier, dann…
(macht eine Geste des Hinauswerfens)

(Klingeln im Vorzimmer.)

Doch mich dünkt, er ist schon hier.

JENNY
Oh pfui, oh pfui, ich will ihn nicht sehen!
Ich eil in die Küche Thekla, komm!
(Jenny mit Thekla eilig ab)

3. Szene

(Hicketier, Wolke, Krey, Schippel)

SCHIPPEL
(tritt frech ein)
Sie riefen mich, nun bin ich hier,
Sie wünschen, lieber Hicketier?

HICKETIER
„Herr” Hikketier, ich muss schon bitten!

SCHIPPEL
(ungeniert und vergnügt)
Ach ja, verzeiht! Doch feine Sitten,
die lernt ich nie, brauch sie auch nicht,
weit wichtiger ist ein froh Gesicht.
Und wichtiger freilich noch ein voller Magen!
Was wisst Ihr davon, habt nie Hunger ertragen,
und kalte Stuben mit Püffen und Prügeln.

HICKETIER
Ihr sollt den Strom Eurer Rede doch zügeln:
Mir ist Neugier fern, ich glaub’ auch den Herren hier.

WOLKE
(mit leichter Verbeugung)
Wolke!

KREY
Krey!

SCHIPPEL
Mir ein grosses Plaisier.
(sich mit Behagen umsehend)
Hier könnst mir passen! Ach, wohnt Ihr fein!
Ölbilder, Sammtfauteuils,
(streichelt einen)
hier ist es gut sein!
Ihr wisst es wohl, ich blase die Flöte,
da kommt man mitunter in arge Nöte.
Im Winter, wenn’s gut geht, zwanzig Mark die Woche,
zuweilen bläst man auf dem letzten Loche.

HICKETIER
(ungeduldig)
Schon gut, schon gut, lasst diese Sachen!
Wir wollen nicht viele Worte machen.
Wir haben folgendes mit Euch vor:
Ihr singt bei uns im Quartett den Tenor.
Es soll wohl Euer Schaden nicht sein.

SCHIPPEL
(sehr erfreut)
Ihr nehmt mich auf in euren Verein?

KREY
Nun ja, das heisst,
(schnell)
vor allen Dingen
müsst Ihr uns etwas zu Probe singen.

SCHIPPEL
Oh gern, natürlich, mit vielen Vergnügen.
Wohlt Ihr Euch mit etwas Modernem begnügen?

HICKETIER
(zu Wolke)
Ach Wolke, setz Du Dich ans Klavier!

KREY
(reicht Schippel einen Band Musik)
Ihr findet die neuesten Lieder hier.

(Nach einigen Blättern schlägt Schippel eine Seite auf, und legt den
Band vor Wolke ans Pult.)

Wach auf! so ruft der Sonnenschein,
es küsst die Lenz die Welt.
Wach auf, und zieh ins Land hinein,
weit über Berg und Feld!
Lass Sorgen sein und Traurigkeit,
hell glänzend lacht die Au
Zur Freude wird was gestern Leid,
dem Glück vertrau!
Und weisst Du nicht wo es Dir blüht,
such’s auf der grünen Flur!
Und eh’ die Frühlingssonne flieht
erjagst Du seine Spur.
Es wächst ja unterm Himmel rein
manch minnigliche Maid,
Wach auf! so ruft der Sonnenschein
und sei zum Glück bereit!
Wach auf!...”

WOLKE
(während des Spielens)
Das ist ja kolossal!

KREY
Kapital!

WOLKE
Pyramidal!

SCHIPPEL
„… und sei zum Glück bereit!”

HICKETIER
Bravo!
5
WOLKE
(jubelnd)
Der Kranz, er ist so gut wie errungen.

KREY
Sie haben wirklich ganz prächtig gesungen.

SCHIPPEL
(vergnügt)
Na, das ging ganz gut,
(Klopft Wolke auf die Schulter)
Sie begleiten ganz vorzüglich!

HICKETIER
(zu Krey)
Potztausend, der Kerl wird konfident.

KREY
Es scheint, dass er die Lage verkennt.

SCHIPPEL
(zu Hicketier, ihn am Rock fassend)
Ich sing’ also mit, topp, abgemacht!
(streckt ihm die Hand hin)

HICKETIER
(nimmt die Hand nicht)
Ihr irrt Euch, so ist es nicht gedacht.

SCHIPPEL
(verblüfft)
Was heisst das? Ihr reicht mir nicht die Hand?

HICKETIER
Ihr fasst die Sache irrig auf.
Ihr scheint zu sehr erpicht darauf,
mit uns auf Gleich und Gleich zu stehen.
Nein, nein, Freund Schippel, das wird nicht gehen.
Ein jeder bleib’ bei Seinesgleichen,
mit Dreistigkeit ist da nichts zu erreichen.
Wollt Ihr mit uns singen, das wird uns freun,
sonst aber haben wir nichts gemein.
Es hat seine Grenzen ein jeder Stand.

SCHIPPEL
(schreiend)
Zum Teufel! Ihr reicht mir nicht die Hand?
Bin Euch zu gering ein armer Musikant?
Kein Umgang für die reichen Herrn,
doch meine Stimme, die hätten sie gern!
Euch passt mein Tenor, doch nicht mein Gesicht,
oh nein, Ihr Dünkelpack, so spiel ich nicht.
Mahlzeit die Herren!
(eilig ab)

(Verblüffung)

HICKETIER
(wütend)
S’ist unerhört!
S’ist unerhört, was dieser Prolet sich untersteht.
Ich muss ihm nach, ich lass ihn arretieren.

WOLKE
Du sollst Dich lieber nicht so echauffieren!

HICKETIER
So ein Schuft! So ein Halunke! Schuft! Halunke!

KREY
Nun ja, doch was nun? Wir sitzen in der Tunke.
Ihr könnt bis morgen wandern,
und findet keinen Andern.

HICKETIER
Doch dulden kann ich nicht, dass so ein Tropf
uns vertraulich auf die Schulter klopf'!

WOLKE
(sehr bestürzt, ratlos)
Doch seine Stimme! Ach, seine Stimm’,
s’ist wahrlich schlimm!
(Von draussen Stimmengewirr)
6
4. Szene

(Der Fürst, Hicketier, Wolke, Krey, später Thekla)

FÜRST
Nur einen Stuhl, etwas Wasser, ein Verband

HICKETIER
(höchst betroffen)
Durchlaucht, die Gnade! oh die Hand?

FÜRST
Nur leicht verletzt, das Pferd, ein junges Tier
ich stürzte... Wohl Herr Hicketier?

HICKETIER
Zu dienen, Durchlaucht, darf ich sehen?
(ruft zur Tür hinaus)
Rasch, Thekla, Wasser!

FÜRST
Es wird schon gehen.
Ich war nur einen Augenblick schwach.

THEKLA
(kommt mit Wasser und Verbandzeug)
Oh Durchlaucht unter unserem Dach?
Erlaubt, hier ist’s ein wenig angeschwollen,,
ob wir nicht doch den Doktor holen sollen?

FÜRST
(sehr entzückt)
Nein, bleib doch, herrliches Kind!
(Thekla verbindet ihn)
Ach wie ist Ihre Hand so lind!
Die Anmut! Wohl Jungfer Hicketier?

THEKLA
(kniet)
Ja, Durchlaucht!

FÜRST
(für sich)
Ganz unbegreiflich schier,
Da lebt man hier einen Steinwurf weit,
und ahnt nichts von so naher Herrlichkeit.
(zu Hicketier)
Ach bitte, der Knecht soll nach Hause reiten,
er soll auch den Doktor ins Schloss rufen lassen!

(Hicketier mit Krey und Wolke geschäftig ab)

THEKLA
Ich hoffe, Fürst, der Schmerz hat nachgelassen.

FÜRST
(lebhaft)
Wahrhaftig. Ihr Verband wirkt Wunder,
ich fühle mich frisch, ja viel gesunder
als sonst. Ich bin wie ausgetauscht
Ist’s Ihre Schönheit, die mich berauscht?

THEKLA
Oh Durchlaucht scherzen.

FÜRST
(immer wärmer)
Nein, ich scherze nicht,
Ihr Blick entzündet mir ein Himmelslicht,
Ihr holder Zauber, wie er mich betört.

THEKLA
Ach, Durchlaucht, wenn uns jemand hört!

FÜRST
Sagt rasch, wann kann ich Euch wieder sehen?

THEKLA
Um Himmelswillen, Fürst!

(Hicketier kommt mit Krey und Wolke)

FÜRST
(rasch flüsternd)
Von deinem Fenster wart’ ich heut’ um zehn!

HICKETIER
Ist Alles ausgeführt, nach Durchlauchts Gebot.

(Fürst nickt dankend)

FÜRST
(erblickt auf dem Klavier den Kranz)
Ach, der silberne Kranz, der Sängerpreis!
Ja richtig, Bürger-quartett, ich weiss
Sie befleissigen sich der edlen Sangeskunst.
(auf Wolke weisend)
Der Bariton, nicht?

WOLKE
(mit tiefer Verbeugung)
Buchdrucker Wolke!

FÜRST
(zu Krey)
Und Sie wohl Tenor?

KREY
(mit tiefer Verbeugung)
Revisor Krey!

FÜRST
Freut mich, Ihre Namen sind mir nicht neu,
bilden ja ein höchst superbes Quartett;
nächstens wieder Preissingen, Ja.
Bürgerschaft muss sich Ideale bewahren.
Das deutsche Lied, ein Gut der Nation
befestigt Treue zu Altar un Thron!
Sehr wichtig in solch idealloser Zeit;
bin deshalb stets mit Freuden bereit,
Ihr edles Streben zu protegieren.
Auf nächstens also! und fleissig probieren!
Und nochmals meinen fürstlichen Dank!
(salutierend ab)
7
5. Szene

(Die vorigen ohne Führst)

HICKETIER
Rasch einen Stuhl! Ich bin ganz krank.

WOLKE
(bringt ihm einen Stuhl)
Wahrhaftig, ich kann das wohl verstehen,
so plötzlich der Durchlaucht gegenüber zu stehen,
(sentimental)
ganz wunderbar!
Das passiert uns wahrlich nicht alle Tage?

KREY
Nun ja, doch bedenkt jetzt unsere Lage!
Jetzt müssen wir singen, doch mit wem?

WOLKE, HICKETIER
Freilich, freilich, höchst unangenehm!

KREY
Wo nehmen wir den Vierten her? Wenn nicht Schippel

HICKETIER
Was nennst Du mir den Kerl noch!
Der Frechling, er gehört ins Loch!

WOLKE
Gewiss, doch seine Stimme!

HICKETIER
S’ist unerhört! Ihr sollt Euch schämen!

WOLKE
Woher denn einen Vierten nehmen?

HICKETIER
Ich mag den Kerl nicht mehr sehen!

KREY
Denk an den Fürsten, etwas muss geschehen!

WOLKE
Ach was, Schippel sitz drüben im Goldenen Bär,
komm mit, wir bringen ihn glattweg her!

HICKETIER
(entrüstet)
Ihn holen? Ich, Gottlieb Hicketier?

KREY
Natürlich, Du wiesest ihm ja die Tür!

THEKLA
Tu’s Vater, geh mit Wolke zu zweit,
ein gutes Wort, und er ist sicher bereit
mit Euch zu singen. Ich hol’ dir den Hut.

WOLKE
So komm! Im Nu wird alles gut.

HICKETIER
Es fällt mir wahrlich bitterschwer,
dem Kerl zu erweisen die Ehr!
(geht ab, nach ihm Wolke)

WOLKE
(wendet sich noch einmal zurück, zu Krey)
Pass auf, jetzt bleibst Du mit Thekla allein,
stell’s richtig an, und sie wird Dein.

KREY
(weinerlich)
Ach Gott, wär mir nur nicht gar so bange!

HICKETIER
(von draussen)
He, Wolke! WOLKE
Ich komme schon!
(zu Krey)
Courage! und zögere nicht lange!
(ab)
8
6. Szene

(Thekla, Krey)

(Thekla steht verträumt beim Fenster)

KREY
(nähert sich Thekla, zaghaft)
Ach Fräulein Thekla, gestattet mir

THEKLA
(wendet sich um)
Ja richtig, verzeiht, Ihr bliebet hier.

KREY
Ja, denn dringend hab' ich mit Euch zu sprechen,
längst will es fast das Herz mir brechen.

THEKLA
Oh Ihr erschreckt mich. Was habt Ihr nur?
Was ist es, das Euch wiederfuhr?

KREY
(für sich)
Wie sag’ ich’s ihr? Gott steh’ mir bei
und mach’ von dieser Angst mich frei,
von diesen Bangen, vom diesen Zagen,
ich muss, ich muss es ihr doch sagen!

THEKLA
So sagt doch rasch, so sprecht doch offen!

KREY
Wie gerne tät’ ich’s, könnt ich nur hoffen!

THEKLA
Was denn? So sagt!

KREY
Dass Ihr erkennt,
was solange mir schon auf der Seele brennt.

THEKLA
Wie soll ich denn? Warum just ich?
Wahrhaftig, Ihr scheint mir wunderlich.

KREY
(für sich)
Wie sag ich’s ihr, Gott steh’ mir bei
und mach’ von dieser Angst mich frei,
von diesen Bangen, vom diesen Zagen,
ich muss, ich muss es ihr doch sagen!

THEKLA
(für sich)
Du lieber Himmel! Ich kann’s mir denken,
gleich wird er mir von Liebe sprechen.
Was tu ich um ihn nicht zu kränken?

KREY
Oh Fräulein Thekla, seht mir ins Gesicht,
und sagt, ahnt Ihr wirklich nicht,
wer meines Sehnens und Leidens Ziel?

THEKLA
(will ihn nicht verstehen)
Nein, nein, auch fragt Ihr mich zu viel!

KREY
(für sich)
O weh, sie versteht mich nicht! Gott steh’ mir bei
und mach’ von dieser Angst mich frei.
Ach wollt’ es mir doch nur gelingen,
ach könnt’ ich nur ihr Herz bezwingen!

THEKLA
(für sich)
Was tu ich nur? Der arme Krey!
Wie bringe ich Vernunft ihm bei?
Ach wollt’ es mir doch nur gelingen,
von seinem Plan ihn abzubringen!
Ach blieb’ der Vater nicht so lang!

7. Szene

(Die Vorigen, Wolke, Hicketier, Schippel, später Jenny)

WOLKE
(eintretend)
Da sind wir schon!

THEKLA
(für sich)
Gott sei Dank!

SCHIPPEL
Grüss Gott! Nun wär’ ich also wieder da.

THEKLA
Ei, das ist wirklich wundernett.

WOLKE
Nun haben wir doch unser Quartett!

HICKETIER
(mürrisch)
Ja, wundernett dieses Quartett.

SCHIPPEL
Darf ich Sie bitten, Herr Hicketier,
mich vorzustellen dem Fräulein hier?

HICKETIER
Dem Fräulein? Wozu? Was wollt Ihr von ihr?
Das Quartett, das bilden allein wir Vier.

WOLKE
So tu's doch! Es ist doch schliesslich üblich.

HICKETIER
Auch das noch! Nun wohl!
(vorstellend)
Thekla, mein Kind.

THEKLA
(nicht freundlich)

 SCHIPPEL
(selbstbewusst, aber höflich)
Ich hoff’, dass Ihr’s nicht unbescheiden findet,
wenn ich verlange, was dem Gast gebührt.
Wisst Ihr nicht, was Ihr mir versprochen?

WOLKE, HICKETIER
Ja, ja, noch haben wir's nicht gebrochen.

SCHIPPEL
Ich will nicht singen um Geld und Sold,
ich singe nur, wenn Ihr mich achten
wollt als Mann von Ehre.
Mein Tenor allein ist nicht zu pachten.

KREY, WOLKE
(sehr freundlich)
Mein Bester, Sie wissen wie sehr wir Sie achten.

HICKETIER
An Ihnen wird’s liegen, wie wir Sie schätzen.

KREY
Gewiss, wer sollte denn Sie verletzen?

WOLKE
Ein Künstler wie Sie

SCHIPPEL
Na, denn ist’s schon recht.
(zu Thekla)
Bin hoffentlich auch dem Fräulein nicht so schlecht.

THEKLA
Seien Sie herzlich willkommen!
(reicht Schippel die Hand)

SCHIPPEL
(beglückt strahlend)
Oh vielen Dank!

HICKETIER
(für sich)
Das muss ich erleben! Ich werde noch krank.

SCHIPPEL
Nehmt meinen Dank, Herr Hicketier!
(Auch Hicketier reicht ihm nun die Hand)
Jetzt freilich ist’s weit gemütlicher hier.

KREY, WOLKE, HICKETIER
(sehr laut)
So geht denn nun auf sonnigen Wegen
der Viersang neuen Ruhm entgegen.
An seinem Stamm neue Reis,
es blühe auf in unserem Kreis.

THEKLA
Es löst sich Alles in Wohlgefallen,
und sein Tenor, wie wird erschallen!
Mit Mannesstolz und Sangeskunst
erringet er noch manche Gunst.

SCHIPPEL
Ich war zu heftig, zu unbesonnen,
doch nun ist ja Alles wieder gewonnen.
Mein Wunsch war stets
Wohlstand und feine Sitten.

JENNY
(tritt ein, bindet sich die Schürze ab)
Darf ich die Herren zu Tische bitten?

SCHIPPEL
(unsicher)
Gilt das auch mir? Läd’t Ihr mich ein?

HICKETIER
(mit einiger Überwindung)
Gewiss, es soll uns ein Vergnügen sein!

(Schippel bietet zum Entsetzen Hicketiers Thekla den Arm.
Alle ab, zuletzt Krey. Krey bleibt nachdenklich stehen; dann auch ab,
zugleich Vorhang)
II. AKT
(Hofgarten von der Rückseite des Hicketier’schen Hauses, den rechts ein
Zaun abschliesst. Links im Hintergrunde, nur zum Teil sichtbar, eine
offene Wagenremise. An der linken Hausecke in der Höhe des ersten
Stockwerkes ein Erker, der zu Theklas Zimmer gehört. Durch das grosse
Fenster im Erdgeschoss sieht man in das beleuchtete Zimmer des ersten
Aktes, wo eben das Quartett probiert. Es ist Abend.)

Vorspiel und 1. Szene

(Der Fürst, Thekla, das Quartett im Zimmer)

FÜRST
(schleicht im schwarzem Mantel von links heran, sich vorsichtig
umblickend)
Ach, endlich hier! Welch’ wunderlicher Gang,
so durch die Nacht, den dunklen Wald entlang,
scheu mich verbergend, dass Niemand erkennt.
(kommt einige Schritte vorwärts)
Doch halt! Nur Vorsicht! Dort ein Licht noch brennt.
So ist man noch wach.
(späht durch das Fenster)
Ach, das Quartett! Freilich, der Kranz!
Bürgerehrgeiz, wie nett!

(Nach den Vorbereitungen zur Probe haben sich die Sänger im Zimmer
in Positur gestellt, ein Jeder ein Notenblatt vor sich. Hicketier leitet die
Probe mit einem dicken Taktstock, mit dem er ab und zu abklopft um
scheinbar eine Bemerkung zu machen, worauf neu eingesetzt wird.)

SCHIPPEL, KREY, WOLKE, HICKETIER
(im Zimmer)
Horch, die Lerche singt im Hain,
Lausche, lausche Liebchen still,
Öffne sacht dein Fensterlein,
Höre, höre, was sie will.

FÜRST
Doch sie seh’ ich nicht, wo mag sie sein?
(hat sich im Dunkel zurückgezogen)
Ob sie schon schläft? Gewiss hier oben.
(wagt es mitzusingen)
Lausche, lausche Liebchen still,
Öffne sacht dein Fensterlein,
Höre, höre, was ich will!
(Das Erkerfenster öffnet sich, Thekla erscheint am Erker)
Oh Thekla, bist du da?

THEKLA
Oh Fürst, seid leiser, man hört Euch ja!
Bedenkt nur, wenn man ahnte wo Ihr seid!

FÜRST
Oh jeden Argwohn scheucht mein fürstlich Kleid,
Sei sonder Furcht, mich stört nur der Gesang.
Komm doch hinab zu mir,
komm doch, die Nacht ist lang!

THEKLA
Oh Fürst, wie kann ich das?
(nach einigen Zögern, herzlich)
Ich tät’s ja gern!

FÜRST
Geliebtes Kind, mein Traumbild, mein Stern,
so bist Du mir gut! Oh hab’ Vertrauen,
und lass mich tief in deine Augen schauen,
dass sich in ihnen mein Schicksal mir weise.

THEKLA
Durchlaucht, schweigt still, oder sprecht leise!
Ich bin so verwirrt, bin ganz bedrängt,
die Gnade, die Huld, die Ihr mir schenkt.
(im Zimmer wurde inzwischen Bier in grossen Masskrügen serviert;
man trinkt und lässt Schippel hochleben)

KREY, WOLKE, HICKETIER
Hoch soll er leben, hoch soll er leben hoch!

THEKLA
Kommt sie vom Fürsten der sein Volk besucht,
kommt sie vom Mann, der ein Mädchen versucht,
ist sie mir Ehre, bringt sie mir Schande?

FÜRST
Ich bin wie der Fürst aus dem Morgenlande,
der ungekannt zum Volke niedersteigt,
und bin ich meinem ganzen Volke geneigt,
so lieb ich Dich als seine schönste Blüte.

THEKLA
Der Märchenprinz! Im innersten Gemüte
erfüllen Eure Wort mich mit Schauer.

FÜRST
Oh komm! Die Leiter lehnt hier an der Mauer;
ich leg’ sie an.

THEKLA
(schwärmerisch)
Oh herrliche Nacht,
wie machst du mich reich! Wie lösest du,
was so lang der Busen verschlossen,
das Herz ersehnt, doch der Mund verschwiegen.

FÜRST
(sehnsüchtig)
Thekla, oh Thekla komm, oh komm!

THEKLA
Heinrich, Märchenprinz! Ich komme!
(steigt die Leiter hinunter)

FÜRST
Geliebte!
(geht entgegen)

SCHIPPEL, KREY, WOLKE, HICKETIER
(neu einsetzend, kräftig brüllend)
Was gleich wohl auf Erden dem Jäger vergnügen,
wem sprudelt der Becher des Lebens so reich?
Beim Klange der Hörner im Grünen zu liegen,
den Hirsch zu verfolgen durch Dickicht und Teich,
ist fürstliche Freude, ist männlich Verlangen,
er starket die Glieder und würzet das Mahl.
Wenn Wälder und Felsen uns hallend umfangen,
tönt freier und freud'ger der volle Pokal!
Joho tralala, tralala, tralala!

FÜRST
Her zu mir!
(Umarmung)

THEKLA
Vor Angst und Glück ersterb ich schier!

FÜRST
Geliebtes Mädchen, Du giebst mir Glück!

THEKLA, FÜRST
Oh wunderbare Stund’!

THEKLA
Geliebte!

FÜRST
Komm fort von hier!
(Thekla und Fürst ziehen sich nach der Wagenremise zurück)

2. Szene

(Hicketier, Wolke, Krey, Schippel – treten aus dem Haus)

SCHIPPEL
Nun Freunde, was sagt Ihr, geht’s nicht schon famos?
Noch zwei drei Proben und der Kranz ist errungen!

WOLKE
Das danken wir nur dem prächtigen Jungen.

HICKETIER
Nun ja, gewiss, wie Schippel sang,
verdient wohl unser aller Dank.
(klopft ihm auf die Schulter)
Wollen hoffen, dass er’s weiter so tüchtig macht.
Doch es ist Schlafenszeit. Freunde, lebt wohl! Gute Nacht!

WOLKE
Auf morgen also! Schlaft wohl! Gute Nacht!

KREY
(zu Wolke)
Wir gehen wohl zusammen. Gute Nacht!

SCHIPPEL
Gute Nacht!

(Schippel schleicht ums Haus. Wolke und Krey sondern sich von ihm ab
und bleiben vorne stehen. Hicketier ab ins Haus.)

WOLKE
Nun sag', Du sprachst Thekla? Steht alles gut?

KREY
Ach nein, ich sprach sie wohl, doch mein Blut
steigt mir stets so zu Kopf, ich war so beklommen.

WOLKE
Nun ja, doch wie hat sie dich aufgenommen?

KREY
Ich weiss nicht, mir scheint, sie verstand mich nicht recht.

WOLKE
Ach Krey, Du machst Deine Sache schlecht!
Hast Du denn gar kein Feuer im Leib?
Nur mit Mut und mit Keckheit gewinnt man ein Weib!
Und dass sie Dich nimmt, das ist doch klar.

KREY
Ach sprächst Du wahr!

(Wolke, Krey nähern sich dem Hintergrund, bemerken wie Schippel im
Garten umherschleicht, ziehen sich, ihn neugierig beobachtend, noch
weiter zurück)

WOLKE
(flüsternd)
Sieh’ doch! Der Schippel, er blieb noch hier,
der hat was vor.

KREY
So scheints auch mir.

WOLKE
Komm dorthin, dass er uns nicht sieht!
Wir müssen sehen, was da geschieht!
(Sie treten ins Dunkel und bleiben dort auf der Lauer)
12
3. Szene

SCHIPPEL
Jetzt schlafen, wo mir alle Pulse beben,
Jetzt schlafen, wo ein neues Leben,
wo eine tolle Daseinslust,
wo Hass, Wut, und Sehnsucht mir sprengen die Brust.
Ja, Hass und Wut auf diese satten Tröpfe,
auf diese wohlfrisierten Köpfe,
in denen nur Hochmut und Dummheit sitzen.
Doch sie sind die Herren! Denn sie besitzen!
Straff spannt sich der Tuchrock um ihre Leiber,
zierlich und duftig sind ihre Weiber.
Ja, zierlich und duftig!
Wie rasch sie verschwand,
wie weich und glatt war ihre Hand,
Oh Thekla, wie bist Du doch lieb und nett!
Jetzt ruht sie gewiss im schneeweissen Bett,
in Spitzen gehüllt die rosig runden Glieder,
wie voll ist ihr Arm, wie prall sass das Mieder!
Sie eine mal in Arm zu wiegen!
(macht wiegende Bewegungen; mit plötzlichem Entschluss)
Ja, Courage! Könnt ich sie nicht kriegen?
Warum? Bin zum Quartettgenossen ich recht,
bin ich als Eidam auch nicht zu schlecht.
Und sagen sie nein, so sing ich nicht mit.
Mir liegt ja nichts an den lumpigen Kranz,
Mir liegt an mehr! Ha! Das wird ein Tanz!
Jetzt schmied’ ich das Eisen so lang’ es warm
und glückt’s halt ich Thekla nächstens im Arm.
Oh Thekla so weiss, so blond, so rein!
Da oben ist wohl Dein Kämmerlein.
Da ist eine Leiter, ich muss hinauf!
(will die Leiter emporsteigen. Krey und Wolke stürzen hervor)
133
4. Szene

(Schippel, Krey, Wolke, dann Hicketier)

KREY
Halt unten bleiben!

WOLKE
Jetzt haben wir ihn.

KREY
(fasst Schippel)
Was treibt Ihr da? Wo wollt Ihr hin?

SCHIPPEL
Lasst los! Sonst, beim Himmel, geht’s Euch schlecht!

KREY
Was der Halunke sich erfrecht!

SCHIPPEL
(packt Krey)
Halunke ich? Was bist denn Du?

WOLKE
Ihr kommt vors Gericht!

SCHIPPEL
Du feiger Lauscher!

KREY
Gemeiner Wicht!

SCHIPPEL
Was ich hier tu geht Euch nichts an!
Sprecht Ihr noch ein Wort,
so kommt Ihr mit heilen Glieder nicht fort!
Mir ist jetzt alles einerlei!

HICKETIER
(stürzt aus dem Haus)
Um Gotteswillen, welch Geschrei!
Was ist denn los? Wer rumort noch hier?

SCHIPPEL
Erschreckt doch nicht, das sind nur wir.

HICKETIER
(verständnislos)
Ihr drei, Ihr seid noch nicht gegangen?

KREY
Zum Glück haben wir ihn abgefangen,
den Kerl da!

SCHIPPEL
Ach, lieber Herr Hicketier, glaubt ihnen nicht!

WOLKE
Er kommt vor’s Gericht.

SCHIPPEL
Ich wollte blos, wie soll ich’s sagen?

KREY
Rechtzeitig fass't ich ihn beim Kragen,
wir sahen alles, dort aus dem Versteck
wir lagen wachsam auf der Lauer.

WOLKE
Wir merkten gleich, er wollt’ nicht weg
er schlich um’s Haus, platt auf der Mauer,
wir auf der Lauer.

HICKETIER
Kein Wort versteh’ ich!
(zu Schippel)
Was sollte das Getu?
Was stört Ihr die Ruh?
Was hattet Ihr vor?

SCHIPPEL
Nichts von Belang.
Ich konnt’ noch nicht schlafen,
so wollt’ ich im Garten
hier unter den Bäumen
das Frührot erwarten.

HICKETIER
Das Frührot? Und hier? Um Mitternacht!
Mit solchem Geschrei? Wenn Thekla nun aufgewacht!

SCHIPPEL
(mit raschem Entschluss)
Das hofft’ ich im Stillen, ich will’s Euch gestehen,
dann hätt’ ich die Schöne noch einmal gesehen.

HICKETIER
Was wagt Ihr, frecher Vagabund?

SCHIPPEL
Gemach, und hütet Euren Mund,
denkt an den Kranz und an die Bedingung!
Beim blossen Namen Thekla’s seit ich sie erblickte,
seit sie mein hungernd Herz so entzückte
umschwebt ihr holdes Bild mich immerdar.

HICKETIER
S’ist unerhört! Was wagt Ihr?

SCHIPPEL
Ja, nicht wahr?
S’ist unerhört, dass mal einem Prolet
der Sinn nach so hohen Dingen steht.
Allein, habt Ihr ihn nicht selbst geweckt?
Habt Ihr mich nicht aus dem Dunkel geschreckt?
Habt Ihr mich nicht an’s Licht gezogen?
Nun wohl! Jetzt will ich auch weiter nach oben.

(Fürst und Thekla sind inzwischen im Hintergrund erschienen und
wagen sich nicht hervor. Die Leiter ist nicht zu erreichen. Thekla hört
Schippels Geständniss, dann verschwinden Beide wieder.)

HICKETIER
Gut, gut, doch Thekla lasst aus dem Spiel,
Ihr geht zu weit, das ist doch zu viel!

SCHIPPEL
Mag sein, doch nun hebt sich alle Kraft
des Mannes in mir mit Leidenschaft.
Und meiner Jugend Qual, Armut und Schand’,
nun werf’ ich sie ab, wie ein schmutzig Gewand.
Nun drängt’s mich hinauf in Eure Welt,
zu Ehre, zu Arbeit, zum Frieden, zum Geld,
ja-ja! Und was micht hebt, edelt und reinigt,
das alles seh’ich in Thekla vereinigt.
144
5. Szene

(Die Vorigen, dann Jenny)

HICKETIER
Das ist denn doch… Ihr seid ja toll!

SCHIPPEL
Nein, nein, nur mein Herz ist so übervoll.

HICKETIER
Zum Teufel Euer Herz!

JENNY
(stürzt herbei)
Was geht denn hier vor?

HICKETIER
Spricht er noch ein Wort, bei Gott, es setzt Hiebe!

WOLKE
(hervortretend, für sich)
Ist er normal?

JENNY
(zu Hicketier)
Weshalb denn? Warum?

SCHIPPEL
(zu Jenny)
Weil ich Thekla liebe!

JENNY
(zu Hicketier)
Was sagt er?

WOLKE, KREY
So ein Skandal!
Wie kann der Kerl es wagen?
Man sollt’ ihm an den Kragen.

HICKETIER
(zu Jenny)
Da hast Du’s!

JENNY
Er ist verrückt.

SCHIPPEL
Ach nein, ach nein,
ich bin nur bezaubert, berückt.

JENNY, HICKETIER
(zu Schippel)
So schreit doch nicht so!

SCHIPPEL
(sehr stark)
Doch liebe ich sie!

JENNY
(für sich)
So ein Skandal!

HICKETIER
(zu Schippel, wütend)
Schreit nicht!

SCHIPPEL
Ich liebe sie!

HICKETIER
Schweigt still, bei Gott es gibt Prügel!

SCHIPPEL
(in Extase)
Mein Sehnen eilt mit beschwingtem Flügel
zu ihr, die mein Heil, mein Glück, mein Leben,
die all mein Begehren, die all' mein Streben!

HICKETIER, KREY
Ist er verrückt?

HICKETIER
(zu Schippel)
Wenn Ihr nicht schweigt,
dann heim Euch geigt mein Haselstock.

WOLKE, KREY
S’ist unerhört! So ein Fallott!

JENNY
(zu Schippel)
Wenn ihr nicht schweigt,
dann heim Euch geigt der Haselstock.

JENNY, KREY, WOLKE, HICKETIER
Jawohl, jawohl, der Haselstock
verklopf ihm gut den Rock.

SCHIPPEL
Ihr Herren, so macht doch kein solch’ Geschrei!
Euer Schimpfen, das ist mir einerlei.
Es zeigt nur Mangel an Takt und Manieren,
ich denke, Ihr könntet von mir profitieren.

HICKETIER, WOLKE, KREY, JENNY
Jetzt währt die Frechheit schon gar zu lang,
da sieht man nun, da sieht man’s, das ist der Dank.
Das ist zu arg,
das ist der Dank

SCHIPPEL
Ei seht doch, jetzt wollt Ihr gar noch Dank!
Mitnichten!
(vortretend)
Hört, Vater Hicketier,
zum Weibe gebt Ihr Thekla mir!
Sonst kommt kein Ton aus dieser Kehle,
den Preis mögen Andere dann erringen.

HICKETIER
Wie soll ich meine Wut bezwingen?

SCHIPPEL
Ich lechze nach ihr mit Leib und Seele.
Oh Thekla erhöre, errete mich,
oh Thekla, Thekla wie lieb ich dich!

WOLKE, KREY, HICKETIER, JENNY
Der Kerl ist wirr, er redet irr,
die Dreistigkeit geht viel zu weit.
Jetzt ist das Mass schon übervoll,
der Kerl ist toll, er ist ja toll.

HICKETIER
Da haben wir den Tanz,
der Teufel hol’ den Kranz!

JENNY
(zu Hicketier)
Der Schippel da als Schwiegersohn,
das hast du nun davon.

HICKETIER
Schweigt still! Wie kan man nun dran denken,
würd’ Thekla je Gehör ihm schenken?

SCHIPPEL
Lasst das nur meine Sorge sein.

WOLKE, KREY
Wie er sich brüstet,
ich bin entrüstet,
ich bin empört!
Es wäre unerhört!

HICKETIER
Thekla und er, bei meiner Ehr’,
wie könnte sie dran denken,
und je Gehör ihm schenken?

SCHIPPEL
Weiss Thekla erst wie gross und rein
meine Liebe ist, wie ich sie verehre,
wie leidenschaftlich ich sie begehre.
Ja dann, Ihr werdet es schon sehn,
dann kann sie mir nicht wiederstehn!

6. Szene

(Die Vorigen, Thekla dann Fürst)

JENNY
Was Thekla, Du hier?

WOLKE
Ei seht doch!

HICKETIER
Du Thekla hier? Allein zu dieser Zeit?

FÜRST
(tritt sehr gemessen aus dem Dunkel)
Ich gab dem Fräulein das Geleit.

JENNY, KREY, WOLKE, HICKETIER
Die Durchlaucht, der Fürst, was ist geschen?
Allein mit Thekla, wie soll man’s verstehen?

HICKETIER
Durchlaucht sehen uns auf’s tiefste verwirrt,
mit meiner Tochter, so spät …

FÜRST
(leutselig)
Ihr irrt,
wenn Ihr schlimmes denkt. Was fällt Euch ein!
Ich sah im Vorbeigehn zu Euch hinein,
wollte dem Fräulein nur nochmals danken,
dann hörten wir hier Schreien und Zanken,
so wurd’ es spät, macht Euch drum keine Sorgen.
Und geht jetzt schlafen!
(zu Hicketier)
Wir sprechen uns morgen.
(ab)

THEKLA, JENNY, KREY, WOLKE, HICKETIER
Gute Nacht, Durchlaucht! Durchlaucht, gute Nacht!
16
7. Szene

(Die Vorigen ohne Fürst)

SCHIPPEL
Bedank Euch noch für diese Niedertracht!

KREY
Was, Niedertracht, nehmt Euch in acht!

JENNY
Gottlob! Nur seinen Dank!
Fast wurd’ ich schon krank!

SCHIPPEL
Ha, ha! Sein Dank! Dass ich nicht lach’!
Oh Schand und Schmach!

HICKETIER
Was Schmach, was Schand!

KREY, WOLKE
Ist er bei Verstand?

SCHIPPEL
(schmerzlich)
Sein Liebchen ist sie.

JENNY
Um Himmelswillen, nein! Oh Gott!

SCHIPPEL
Verführt hat er sie!

HICKETIER
Ich schlag ihn tot!

KREY
Was wagt Ihr auszusprechen?

SCHIPPEL
(unbeirrt)
Ich sag’ es nochmals, verführt hat er sie,
und ich armer Tor, ich liebte sie!

HICKETIER
Welch’ grausiger Verdacht! Wo gibt es Klarheit?

WOLKE
Wie kannst Du nur’s glauben? Der Fürst sprach die Warheit.

JENNY
Oh Thekla, Thekla mein armes Kind,
wie ist man Dir nur übel gesinnt!

SCHIPPEL
(bestimmt)
Jetzt freilich hat alles ein andres Gesicht,
(mit Nachdruck)
ein Fürstenliebchen das mag Schippel nicht!

HICKETIER
(rasend)
Ein Fürstenliebchen! Hier gibt’s noch Mord!

KREY
(vortretend)
Ihr zieht sogleich zurück das Wort!
Wenn nicht, so geht’s Euch an den Kragen!

SCHIPPEL
Wollt’ Ihr Euch etwa mit mir schlagen?
Wie’s Euch beliebt, ich bin bereit!

WOLKE
Ha, er hat Schneid!

HICKETIER
Gib ihm doch mit dem Stock Bescheid!

KREY
Ich werde Theklas Ehre verteidigen.

HICKETIER
Kann denn ein Schippel sie beleidigen?

SCHIPPEL
Wollt Ihr dass ich mit Euch singen soll,
so nehmt mich auch als Ehrenmann voll,
als solchen gebührt mir Satisfaction!

HICKETIER
Oh Spott und Hohn!

WOLKE
Ich rieche Blut!

SCHIPPEL
Herr Krey! Wählt Waffen, Zeit und Ort!
Ich stehe ein für jedes Wort!

JENNY
Was? Ein Duell?

WOLKE
Ein Duell!

HICKETIER
Mit dem Gesell?

WOLKE
Und wie wird’s mit dem Preisegesang,
da schon so schön das Quartett gelang?

JENNY
Der denkt noch an die Sängerei!

HICKETIER
Als ob nicht längst versungen sei!

SCHIPPEL
Mitnichten! Den Kranz, den sollt Ihr erringen,
so schön ich kann will ich mit Euch singen,
bis dahin ruhe die Affaire.

HICKETIER
Ei was ich höre!

WOLKE
Ein Mann von Ehre!

WOLKE, HICKETIER
So ruh’ bis dahin die Affaire!

JENNY
Wenn diese Nacht nur schon zu Ende wäre!

WOLKE
Welch’ eine Nacht! Der Fürst, Thekla, das Quartett!

HICKETIER
(resigniert, ganz erschöpft)
Wird Alles sich finden, gehn wir zu Bett!

JENNY
Gehn wir zu Bett, bald graut der Morgen!

(Jenny, Thekla, Hicketier ab ins Haus; Wolke, Schippel nach hinten.
Krey bleibt vorne stehen)

SCHIPPEL
Und wegen des Kranzes seid ohne Sorgen,
zur Probe bin ich morgen zur Stell’!
(ab)

KREY
(sich langsamm besinnend)
Ich ein Duell? Oh, ich, ich ein Duell?
(langsam ab)
III. AKT

Vorspiel

(Waldlichtung)

1. Szene

(Thekla)

THEKLA
(kommt von links)
Dies ist die Lichtung von er gesprochen.
Sei still mein Herz, was soll dein lautes Pochen?
Kannst du dich immer noch nicht bescheiden?
Wehrst du dich gegen so frühes Scheiden?
Bangt dir vor dieser letzten Stunde
in seinem Arm, an seinem Munde?
Sei still, sei still, gib dich zufrieden,
solch’ Glück, es war dir nicht beschieden.
O wär ich doch vom adligen Blut,
ein Freifräulein, stolz und hochgemut,
oder trüg’ ich gar eine Grafenkron,
so trüg’ ich auch mein Liebe Lohn.
Doch ach, ich vermähl’ mich in meinem Stand,
und reiche Krey, dem Revisor die Hand.
Vater will es, ich muss gehorchen.
Da nähm’ ich doch liber Schippel zum Mann,
der seit gestern berühmt, und gezeigt dass er was kann.
Ein Mann von Stoltz und hohem Streben,
der für Ehre auch wagt sein Leben!
Heut’ schiesst man ihn vieleicht gar tot!
Welch’ lustig Getriller in den Bäumen!
Die Vöglein begrüssen den neuen Tag,
und weiss doch keins wie er enden mag,
weiss keines, was ihm der Abend bringt,
welch Schmerz ihm naht eh die Sonne sinkt.
Sei still, mein Herz, gib dich zufrieden,
solch’ Glück, es war dir nicht beschieden!

2. Szene

(Der Fürst, Thekla)

FÜRST
Thekla, Geliebte, Du kamst, hab’ Dank!
(Umarmung, Thekla wehrt leicht ab)
Wie sehnte ich mich nach Dir so lang!

THEKLA
Nein Fürst, gemach! Ich kam zum letzten Mal,
wir nehmen Abschied heut’!

FÜRST
Oh Schmerz, oh Qual!

THEKLA
Ein Schmerz auch für mich, doch der Traum ist zu Ende.

FÜRST
Thekla, Geliebte, dass einen Ausweg ich fände!
Könnt ich dich entführen, für immer rauben!

THEKLA
Der Traum ist zu Ende, Ihr müsst es glauben.
Auch Fürsten müssen zuweilen entsagen.

FÜRST
Warum? Warum entsagen, wenn man liebt?

THEKLA
Fürst, weil es Ordnung, weil es Sitten gibt,
weil ich nicht frei über mich verfüge.

FÜRST
Unsre Liebe gibt’s, sonst ist alles Lüge!

THEKLA
Ach Fürst, verzeiht, wie sprecht Ihr vermessen!
Könntet just Ihr Pflichten vergessen,
die uns aus Stand und Herkunft entstehen?
Grad’ Ihr Fürst, könnt ihnen nicht entgehen.

FÜRST
Doch wenn sich zwei Herzen, wie Unsere, finden?

THEKLA
Es nützt nicht Fürst, wir müssen es verwinden.
Wir sind nicht für einander bestimmt.
Ihr seid ein Fürst, und ich Hicketiers Kind.

FÜRST
Oh Thekla, wie sprichst Du? Liebst Du mich nicht?

THEKLA
Mein Herz liebt Euch, doch mein Kopf muss entscheiden.

FÜRST
Mein Leben lang werd’ ich dran leiden!

THEKAL, FÜRST
(leise, allmählich steigernd)
Mein Leben lang will ich Dich lieb behalten,
wie immer auch Schicksal und Leben mag walten.
Soll ich Dich auch nicht widersehen,
nie mehr an Deiner Seite gehen,
so werd’ ich immer Dein gedenken,
in süsse Träume mich versenken.
Du gabst mir ein kurzes, doch tiefes Glück.
Hab’ Dank dafür! Hab’ Dank!

THEKLA
Lebt wohl! Doch zum Gedenken
will ich Euch diesen Ring hier schenken,
er stammt von Grossmutter, bewahrt in treu!

FÜRST
Thekla, einen Kuss!

THEKLA
Den letzten, es sei!
(sie küsst ihn, dann eilt sie fort)

FÜRST
Dort eilt sie hin!
(betrachtet den Ring)
Ein Herz aus Karneol.
Der Traum ist zu Ende. Thekla, leb’ wohl!
(ab)

 3. Szene

(Schippel)

SCHIPPEL
(in Frack und Cylinder, sieht sich um)
Hier soll’s wohl sein, hier also, hier werd’ich sterben.
Ach Gott, mein Leben mir so verderben!
Erst Thekla verlieren, dann auch noch das Leben!
Das hab’ ich nun von Ehrgeiz und Streben!
Warum aber wollt ich auch höher hinauf?
Zum Dank schiesst Krey mich jetzt zu Hauf,
zum Dank auch, weil ich den Kranz gewonnen.
Auf einmal ist alles in Nichts zerronnen.
Was will der ganze Sieg jetzt heissen,
wenn man mich zwingt ins Gras zu beissen?
Es flimmert mir schon vor den Augen ganz rot,
ich seh’ mich schon mit einem Loch in der Brust,
nein, nein, dazu hab ich gar keine Lust!
Warum auch? Weil ich Thekla nicht wollte,
weil Krey mit seinen Glotzaugen rollte,
und da soll ich mich jetzt duellieren,
mein ganzes Leben mir ruinieren?
Ich lebte doch so schön und vergnüglich!
Halt’ meine Flöte und mein Plaisier,
die Mädel drehten die Köpfe nach mir,
die Männer luden zum Bier mich ein,
das soll nun für immer zu Ende sein?
Mich tragen die Beine kaum, und wie ich zitter!
Bin ich ein Schentlemann? Bin ich ein Ritter?
Nie wieder singen, nie Flöte blasen,
tot da liegen unter dem grünen Rasen!
Von wegen der Ehre? Ein schönes Wort.
Ich wollt' ich wäre tausend Meilen fort!
(mit plötzlichem Entschluss)
Ja, das ist das beste, ich mach’ mich davon,
es gibt ja für mich doch keinen Pardon,
er schiesst mich sicher durch den Leib,
ein Narr bin ich, wenn ich hier stehen bleib’.
Was hab’ ich im Jenseits von meinem Mut?
Es gefällt mir hier unten noch ganz gut.
Und leb’ ich nicht auf Bürgers höh’n:
im Wirtshaus beim Tanz lebt sich’s auch recht schön!
Ja, leben, ja leben, nur leben im Sonnenlicht!
So billig, ist Schippels Leben nicht!
(ab)

 4. Szene

(Krey, Wolke, Hicketier)

(Wolke und Hicketier haben Krey unterm Arm gefasst, schleifen den
völlig Matten und Willenlosen einige Schritte, richten ihn auf; Krey
knickt zusammen, worauf die beiden Anderen ihn wieder packen und
ein Stückchen weiter schleifen. Das Spiel wiederholt sich genau nach
der Musik)

WOLKE
Nur Mut, nur Mut, Du wirst es sehen,
es wird schon alles prächtig gehen.

KREY
(verzweifelt)
Ja, prächtig, oh Freunde, Genossen,
in einer Stunde, da bin ich erschossen.

HICKETIER
Ach was, Kopf hoch! Nur kaltes Blut, mein Lieber!

WOLKE
Schlägt Dir das Herz? Hast Du nicht Fieber?
Du bist sehr blass.

KREY
Ach frag’ mich nicht,
wär nur vorbei schon dies Gottesgericht,
wie schön und gemütlich könnt’ ich leben!

HICKETIER
So lass doch schon das Jammern und Beben!

WOLKE
Ich hab’ da was in meiner Tasche.
(zieht eine Flasche hervor)
Hier, noch einen Zug aus dieser Flasche.

KREY
Mein letzter Trunk!
(trinkt)
Noch bin ich so jung!

HICKETIER
So fass Dich doch, hab’ ruhig Blut!

KREY
Ach Gott, der Schippel schiesst sicher gut.

WOLKE
Vielleicht hast Du Glück, und knallst ihn nieder!

KREY
Könnt’ ich mich nur setzen! Mir schlottern die Glieder.
(weinerlich)
Nie hielt in der Hand ich je eine Pistole!

HICKETIER
So flenne doch nicht, dass der Kukuck Dich hole!

WOLKE
Du hast leicht reden. Dir wird nichts geschehen.

HICKETIER
O schämt Euch, s’geht nicht gleich an den Kragen,
wenn man Euch so sieht, na, eins muss ich sagen:
der Schippel hat doch mehr Mark in den Knochen.
Wahrhaftig, ich gesteh’ es: seit einer Wochen
beginnt der Kerl mir zu imponieren.
Der hat jetzt Haltung und hat Manieren,
die ganze Art, sein stolzes Benehmen,
zum Teufel auch, Ihr könnt Euch ein Beispiel nehemen!
Ein Bettler, wie er, wies Thekla zurück.
Das mit dem Fürsten war freilich zum Glück
ganz unschuldig, ein kleines Vergehen
gegen strengen Brauch, so was kann geschenen.
Allein der Schippel hat Gefühl von Ehre,
er handelte, also ob von Adel er wäre.
Und die Noblesse dann, trotzdem zu singen,
mit hoher Kunst den Kranz zu erringen!
Und endlich, schrecken ihn nicht die Pistolen,
wenn’s die Ehre gilt, ich sag’es unverhohlen:
der Schippel ist ein ganzer Mann!

KREY
Der sicher auch noch schissen kann.

HICKETIER
(wütend für sich)
So ein Feigling, zum Schwieger denn?
Bei meiner Seele, da dank’ ich schön!

WOLKE
(zu Hicketier)
Statt ihm jetzt beizustehen
verhimmelst Du den lumpigen Musikanten!

HICKETIER
Lass gut sein, dieser Musikant,
seit gestern ist ein Mann von Stand.
Der Fürst selbst gab seinen Beifall ihm Kund.

WOLKE
(nervös, schaut auf seine Uhr)
Vom Kirchturm schlägt’s die achte Stund,
die Andern sollten längst hier sein, indessen.

KREY
(hoffnungsvoll)
Ach ja, vielleicht haben sie’s vergessen!

WOLKE
Vergessen? Ach nein, das ist unwahrscheinlich.

KREY
(scharf)
Sollen wir etwa bis Abend hier stehn?

5. Szene

(Schippel, Müller, Schultze und die Vorigen)

SCHIPPEL
(den Vorigen noch unsichtbar, zu Müller)
Herr Müller, wozu fingt ihr mich ab,
was schleppt Ihr mich zu meinem Grab.
Jetzt wär ich längst zwei Meilen weit.

MÜLLER
So schämt Euch doch solcher Bangigkeit,
der Krey schiesst ganz gewiss in die Luft.

KREY
(zitternd)
Ach Gott, ich wittere Grabesduft.

(Stummes Spiel. Sehr förmliche Begrüssung durch Lüften der Cylinder.
Dieses geschieht in folgender Weise: Wolke, Krey, Hicketier stehen in
der Mitte der Bühne, während Müller, Schippel und Schultze von der
Seite kommend an ihnen vorbei defilieren und Jedem einzeln gegenüber
ihre Cylinder lüften, worauf von der andern Seite das Gleiche geschiet.
Es kommt zuerst Müller Hicketier gegenüber zu stehen, dann Müller
Krey gegenüber, während Schippel Hicketier gegenüber steht. Dann
Müller Wolke gegenüber, währen Schippel Krey und Schultze Hicketier
gegenüber steht u. s. w. Die Bewegungen müssen genau nach der Musik
ausgeführt werden.
Müller und Schultze schreiten die Distanz ab und weisen die Plätze an.
Schippel kommt nach rechts vorn, Krey nach links hinten zu stehen.)


SCHIPPEL, KREY
(für sich)
Wie schlottern mir die Waden!
Bald fressen mich die Maden.
Noch schlägt mein Herz, oh weh, oh weh,
bald wird es nicht mehr schlagen!
O armer Schippel/Krey
wie wird man dich beklagen!
Noch leb’ ich, noch bin ich gesund,
bald lieg’ ich da, ein toter Hund.

MÜLLER
Zweimaliger Kugelwechsel, und scharf geladen!

SCHIPPEL, KREY
Wie schlottern mir die Waden,
bald fressen mich die Maden.

SCHULTZE
Ich zähl’ bis drei, dann losgedrückt!

SCHIPPEL, KREY
Vor Angst werd’ ich noch ganz verrückt.

SCHULTZE
Nun aufgepasst Ihr Herren! Ich zähle: eins, zwei, drei.

(Krey f ällt auf „drei” um, Schippel schiesst eine Sekunde sp äter in
die Luft)

WOLKE
(zu Krey eilend)
Um Himmelswillen, Krey, oh Krey!

SCHIPPEL
Gott steh mir bei!

SCHULTZE
Was ist denn los?

(Wolke richtet Krey auf)

HICKETIER
Er fiel doch um bevor er schoss!

MÜLLER
Nun Schippel, es scheint ja nichts geschehen.

SCHIPPEL
(aufatmend)
Ach wirklich, kann ich nun gehen?
(Müller führt ihn zu Krey)

KREY
So bin ich heil, und darf auch weiter leben?

SCHIPPEL
Herr Krey, wollt Ihr mir nun vergeben?

WOLKE
(zu Krey)
So gib ihm die Hand!

KREY
Mit tausend Freuden,
ich mocht’ihn ja immer gerne leiden.

MÜLLER, SCHULTZE
(zu Hicketier)
Wir gratulieren, Ihr Mandant ist ein Held.

SCHULTZE
Ein Mann von Charackter.

MÜLLER
Ein Mann von Welt!

(Müller und Schultze entfernen sich. Sehr förmliches Lüften der
Cylinder, wie zu Anfang der Szene)

6. Szene

(Schippel, Krey, Wolke, Hicketier)

KREY dann SCHIPPEL
War das ein Schrecken und ein Graus,
ein zweites Mal hielt ich’s nicht aus.

WOLKE
Dem Himmel sei Dank, sei Dank,
dass alles so gut gelang!

HICKETIER
Herr Schippel, Sie benahmen sich prächtig.
(schüttelt Schippel die Hand)

WOLKE
Er hat das wirklich gut gemacht,
wer hätte das von ihm gedacht?

HICKETIER
Ja, ja der Schippel, dieser kleine Musikant,
über Nacht ward ein Mann von Stand,
ein gefeierter Sänger, charaktervoll,
verflogen ist Missachtung und Groll,
ich nenn’ voll Stolz ihn meinen Freund.

SCHIPPEL
Das ist zu viel!

HICKETIER
Durch Kunst mit uns geeint
steht er vollwertig in unserem Kreis,
Ihm gilt der Kranz, das Siegerreis.

SCHIPPEL, KREY, WOLKE, HICKETIER
Gerettet ist der Sangesbund,
es lebe die Versöhnungsstund!

(In sentimental gehobener Stimmung, die Arme einander auf die
Schultern gelegt, singen sie das folgende Lied, gegen dessen Ende sie
langsam abgehen, so dass die zwei letzten Takte bereits hinter der
Szene gesungen werden.)

SCHIPPEL, KREY, WOLKE, HICKETIER
Wer hat Dich du schöner Wald
aufgebaut so hoch da droben?
Wohl den Meister will ich loben
so lang noch mein Stimm’ erschallt,
Lebe wohl, du schöner Wald!

ENDE





Nincsenek megjegyzések:

Megjegyzés küldése